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UN-Soldaten aus Brasilien verteilen in Port-au-Prince Wasser. Wegen des Gedränges bei der Verteilung der Hilfsgüter sahen sie sich gezwungen, Warnschüsse abzufeuern und Tränengas einzusetzen.

Foto: AP Photo/MINUSTAH, Marco Dormino

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Elf Tage nach dem Erdbeben wurde ein Überlebender aus den Trümmern eines Hotels geborgen.

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Erstmals konnten die Behören eine einigermaßen präzise Zahl der Opfer nennen: Bisher hatt man fast 111.500 Leichen geborgen.

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Port-au-Prince - Die Zahl der nach dem Erdbeben in Haiti offiziell bestätigten Todesopfer hat mehr als 150.000 erreicht. Das teilte die haitianische Kommunikationsministerin Marie-Laurence Jocelyn Lassegue am Sonntag mit. Die Zahl stamme von dem staatlichen Unternehmen CNE, das für die Bestattung der Leichen aus dem Großraum Port-au-Prince in einem Massengrab nördlich der Hauptstadt zuständig sei, erklärte Lassegue. Nicht mitgezählt seien die Opfer in anderen Städten sowie Tote, die von ihren Familienangehörigen verbrannt wurden.

Bei der Verteilung von Hilfsgütern in Haiti haben UN-Truppen am Samstag (Ortszeit) Tränengas eingesetzt und Warnschüsse abgefeuert. Wie ein AFP-Reporter berichtete, ereignete sich der Zwischenfall auf einem ehemaligen Militärflugplatz in der Hauptstadt Port-au-Prince. Hunderte Überlebende der Erdbebenkatastrophe hätten zunächst ruhig in Zweierreihen angestanden, um Nahrungsmittel, Wasser und Radiogeräte zu erhalten. Dann habe es kleinere Rangeleien gegeben, schließlich habe sich die Menge auf die zu verteilenden Güter gestürzt. Brasilianische UN-Blauhelme hätten daraufhin Warnschüsse in die Luft abgegeben und Tränengas eingesetzt.

Gedenkgottesdienst am Montag im Wiener Stephansdom

Ein Solidaritäts- und Gedenkgottesdienst für die Opfer der Erdbebenkatastrophe von Haiti findet am Montag, 25. Jänner, um 18.00 Uhr, im Wiener Stephansdom statt. Hauptzelebrant ist der Wiener Weihbischof Franz Scharl, der als Bischofsvikar auch für die anderssprachigen katholischen Gemeinden in der Erzdiözese Wien zuständig ist, berichtete die Erzdiözese Wien. Für die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes sorgt der Chor der französischsprachigen afrikanischen Gemeinde in Wien mit ihrem Priester Pierre Tiemoko.

Elf Tage nach dem Erdbeben haben Rettungskräfte am Samstag jedoch noch einen 24 Jahre alten Mann lebend aus den Trümmern eines Hotels geborgen. Er wirke in guter Verfassung, aber durstig, sagten Rettungskräfte am Samstag.

In der Hauptstadt Port-au-Prince wurde am Samstag der Erzbischof von Haiti, Joseph Serge Miot, beigesetzt. An der Trauerfeier nahm auch Präsident Rene Preval teil, der seit dem Beben vor elf Tagen kaum in der Öffentlichkeit erschienen war. Zugleich fand in Haiti ein Bußtag nach der Katastrophe am 12. Jänner statt, die viele Menschen für eine Strafe Gottes halten.

Flucht aufs Land

Insgesamt konnten die Rettungskräfte 132 Menschen lebend aus zerstörten Gebäuden bergen. Alle Menschen, die eine Möglichkeit hätten, die zerstörte Hauptstadt Port-au-Prince zu verlassen, wurden aufgefordert, das möglichst bald zu tun. Die Vereinten Nationen schätzten, dass etwa eine Million Überlebende aufs Land fliehen werden.

Unterdessen gab es in Lateinamerika weitere, kräftige Erdbeben: Bolivien wurde am Samstag innerhalb von einer Stunde von zwei Beben der Stärken 5,3 und 5,2 erschüttert, Costa Rica gleich von vier Erdstößen der Stärken 5,2, 4,7, 4,9 und 4,8. Berichte über Opfer oder Schäden gab es zunächst nicht.

Langsame Rückkehr zum Alltag

Dank der internationalen Hilfsaktionen und der unermüdlichen Arbeit tausender Helfer konnte das Leiden der bis zu drei Millionen Überlebenden etwas gelindert werden. Erstmals machten auch wieder Geldtransfer-Firmen und Banken sowie Restaurants oder ein scharf bewachter Supermarkt auf. Laut UNO-Büro zur Koordinierung von Humanitären Angelegenheiten (OCHA) sind auch 30 Prozent der Tankstellen in Haiti wieder in Betrieb.

Unterdessen sollen US-Vertreter Journalisten zum Verlassen des Flughafengeländes aufgefordert haben, um die Sicherheit des Flugverkehrs zu gewährleisten. Das berichtete das Internetportal Publico.es unter Berufung auf Angaben der Sprecherin der spanischen Entwicklungs-Agentur AECI, Virginia Castrejana.

Traumatisierungen

Tausende müssen noch immer auf der Straße schlafen. Die deutsche Nothilfe-Koordinatorin Anja Wolz berichtete von den Problemen der medizinischen Versorgung in bezug auf Folgeoperationen und Nachbetreuung. Fast jedes Erdbebenopfer, das sie gesehen habe, sei traumatisiert gewesen, sagte Wolz.

Über die Koordination der Hilfe wollen am Sonntag und Montag mehr als 20 Länder im kanadischen Montreal diskutieren. Zu der Krisenkonferenz reist US-Außenministerin Hillary Clinton an, auch ihr französischer Kollege Bernard Kouchner will kommen. Um eine Konferenz der Geberländer, die möglicherweise im März stattfinden soll, vorzubereiten, werden auch Vertreter der Vereinten Nationen, internationaler Finanzinstitutionen sowie von 21 weiteren Staaten erwartet.

Mit einer großen Spendengala haben Stars vor allem aus den USA mehrere Millionen Dollar für die Opfer des Erdbebens gesammelt. Die TV-Show, die weltweit und selbst in den USA gleich auf mehreren Kanälen übertragen wurde, kam live aus Los Angeles, New York und London. Moderiert von George Clooney und dem aus Haiti stammende Musiker Wyclef Jean, sangen Musiker für die Überlebenden der Naturkatastrophe.

Papst Benedikt XVI. schrieb in dem Brief, den der Vatikan am Samstag veröffentlichte, an Präsident Preval, er bete darum, dass "Solidarität in die Herzen einzieht" und "wieder Ruhe auf den Straßen einkehrt", damit die Hilfe bei denjenigen ankomme, die sie am nötigsten hätten. (APA/Reuters/apn)