Eva Glawischnig teilt aus: an die ÖVP, die keine Distanz zur FPÖ wahrt, aber auch an die SPÖ, die im Wettstreit des Rechtspopulismus fleißig mitmischt.

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Standard: Man hat den Eindruck, dass man von den Grünen nichts hört und sieht. Woran liegt das?

Glawischnig: Das ist ein sehr subjektiver Eindruck. Wir sind mit dem Pakt gegen Armut sehr offensiv ins neue Jahr gestartet. Es ist ein Politritual, dass bei "Licht ins Dunkel" vom Bundespräsidenten abwärts alle die schreckliche Situation beklagen. Nach Weihnachten ist das dann ad acta gelegt. Wir machen das nicht, wir machen konkrete Vorschläge. Wer innerhalb von wenigen Stunden 700 Millionen Euro in die Hand nehmen kann, um die Hypo zu retten, kann auch dieselbe Summe in die Hand nehmen, um die Armut in Österreich abzuschaffen. Das spielt sich in derselben Größenordnung ab. Das Problem ließe sich also lösen, würde man es ernsthaft in Angriff nehmen.

Standard: Noch einmal zu den Grünen: Gibt es ein Problem in der Darstellung? Finden Sie selbst, dass die Grünen sehr präsent sind?

Glawischnig: Bei der Diskussion um Eberau haben wir uns bewusst anders positioniert. Da wollten wir keine Sachantwort geben, obwohl wir das auch könnten. Wir wollten darauf hinweisen, wie verrottet die politische Kultur ist. Es geht nur darum, wer der ärgere Rechtspopulist ist. Wer geht härter gegen die Schwächsten in der Gesellschaft vor, wer redet schlechter über Asylwerber. Darauf wollten wir aufmerksam machen. Wo sind wir mit der politischen Kultur angelangt? Wir können sofort jedes Integrationskonzept erläutern. Eberau ist komplett unvernünftig. Aber das Problem in der Debatte ist der Stil. SPÖ und ÖVP überbieten sich mit den Rechten in Rechtspopulismus.

Standard: Sehen Sie einen Unterschied zwischen SPÖ und ÖVP?

Glawischnig: Nur mehr graduell. Hans Niessl im Burgenland war immer schon ein Rechtsausleger. Aber dass der Kanzler hergeht und prüfen lassen will, wie man eine verfassungskonforme Lösung für ein Anhaltelager finden kann, das schlägt dem Fass den Boden aus! Menschen ohne Grund einzusperren kann nicht menschenrechtskonform sein. Da gibt es keine verfassungskonforme Variante.

Standard: Die Regierung hat einen nationalen Aktionsplan zur Integration beschlossen. Gibt es darin etwas, das die Grünen gut finden?

Glawischnig: Es finden sich in dem Plan nicht nur Verschärfungen, sondern auch positive Dinge. Aber die sind ohne Finanzierung, ohne Zeitplan, ohne Verbindlichkeit. Was konkret ist, das sind Zwang und Verschlechterungen. Die Deutschprüfungen vor der Einreise sind Quatsch. Wie viele Goethe-Institute gibt es denn weltweit?

Standard: Ungefähr 120.

Glawischnig: Jedenfalls eine überschaubare Größe. Bei der Grünen Wirtschaft sind viele Menschen mit Migrationshintergrund dabei, die im klassischen Wirtschaftsleben integriert sind. Wir haben einen türkischen Bestattungsunternehmer, der für uns kandidiert. Das ist ein ganz anderes Integrationsbild, wenn man sich auf das Positive konzentriert. Die Innenministerin interpretiert in jeden Asylsuchenden einen Schwerstkriminellen hinein.

Standard: Die Grünen sind in Oberösterreich, in Graz und in Bregenz in einer Koalition mit der ÖVP. Kann man aus dieser Zusammenarbeit allgemeine Erfahrungswerte ziehen?

Glawischnig: Die ÖVP hat durch diese Zusammenarbeit sicher ein modernes Image bekommen - eigentlich zu Unrecht. Die innovativen Projekte in Oberösterreich waren nur mit viel Mühe durchzusetzen.

Standard: Besteht umgekehrt die Gefahr, dass die Grünen ein Image bekommen, das sie nicht wollen?

Glawischnig: In Oberösterreich haben die Grünen dazugewonnen.

Standard: Minimalst.

Glawischnig: Dennoch: Ein Plus ist ein Plus. Das ist ein absoluter Erfolg. Das liegt auch an den ambitionierten Projekten.

Standard: In Kärnten gibt es eine Koalition der ÖVP mit den Freiheitlichen. Da hat man den Eindruck, für die ÖVP ist der Koalitionspartner recht beliebig.

Glawischnig: Ja, das ist bemerkenswert. Josef Pröll ist mit Strache in einer Koalition. Und Pröll findet es nicht wert, sich dazu zu äußern. Wir wollen wissen, wie es die ÖVP mit der FPÖ hält. Kommt in der Steiermark jetzt auch eine schwarz-blaue Koalition? Was ist auf Bundesebene? Eine Koalition Strache/Pröll? Das muss der Vizekanzler erklären. Pröll ist mit einem der übelsten Ausleger dieser rechten Parteien mit der FPK in einer Koalition. Mit einem Parteichef, der mit beiden Füßen im Kriminal steht. Die ÖVP hat überhaupt keinen Genierer, sie hält nicht einmal mehr den Anschein von Anstand aufrecht. Das deutet darauf hin, dass Pröll in Zukunft sehr wohl mit Strache koalieren wird, wenn es ihm passt.

Standard: Wie schaut es in Wien aus? Streben die Grünen eine Koalition mit der SPÖ an?

Glawischnig: Absolut. Weniger um der Koalition willen. Aber Wien braucht Innovation. Die SPÖ wird die absolute Mehrheit mit Sicherheit verlieren, dann kann sie sich entscheiden: Macht sie etwas mit der ÖVP oder mit den Grünen. Strache wird ja mit Sicherheit nicht Vizebürgermeister sein.

Standard: Was macht Sie da so sicher, dass die SPÖ nicht mit der FPÖ koalieren wird?

Glawischnig: Dann müsste die Wiener SPÖ alle ihre Grundsätze über Bord werfen. Es gibt in der Wiener SPÖ sicher eine große Gruppe von Menschen, die eine Koalition mit der FPÖ nicht akzeptieren würden. Ich glaube, die Wähler würden es auch nicht akzeptieren.

Standard: Wird es einen grünen Kandidaten oder eine Kandidatin zur Präsidentenwahl geben?

Glawischnig: Wir haben das noch nicht entschieden. Was dafür spricht: Grüne Diskussionsbeiträge bei einer solchen Wahlauseinandersetzung sind wichtig. Wir haben mittlerweile ein Monopol auf gewisse Themen: Menschenrechte, Umweltschutz. Wir stehen für gewisse moralische Standards. Ein Monopol der Vernunft. Das wäre schade, wenn das in einer Wahldebatte nicht vorkommt. Andererseits stehen drei Landtagswahlen und die Wirtschaftskammerwahl bevor, das ist auch wichtig. Wenn nicht wichtiger. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 23.1.2010)