Zehn Tage nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti kommt die Hilfe für Millionen Bedürftige auf Touren. Internationale Hilfsorganisationen fingen am Freitag an, Nahrung im größeren Stil zu verteilen. Bei der Ausgabe kam es in einigen Fällen zu Gewalt.

Die USA lehnten unterdessen die Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus Haiti ab. "Die Erdbeben-Katastrophe ist keine Gelegenheit zur Auswanderung in die USA", sagte die amerikanische Heimatschutzministerin Janet Napolitano am Freitag in der spanischen Stadt Toledo. Sie rief die Haitianer dazu auf, in ihrem Land zu bleiben und beim Wiederaufbau zu helfen. Die Ministerin wies darauf hin, dass Washington den illegalen Einwanderern aus Haiti, die bereits vor dem Erdbeben in die USA gelangt seien, ein befristetes Bleiberecht gewähre. Illegale Zuwanderer, die nach der Erdbeben-Katastrophe in die USA zu gelangen versuchten, würden nach Haiti zurückgeschickt.

Die USA nähmen keine Haitianer auf, die illegal in die Vereinigten Staaten einreisten, sagte auch Außenministerin Hillary Clinton am Donnerstag (Ortszeit) in Washington. Die Flüchtlinge würden "zurückgeführt", die bestehenden US-Einwanderungsgesetze angewendet. Clinton wies darauf hin, dass die US-Regierung Haitianern ohne Aufenthaltsgenehmigung, die sich zum Zeitpunkt des Erdbebens am Dienstag vergangener Woche in den USA aufhielten, aus humanitären Gründen vorübergehend Asyl gewähren. Bisher gab es nach Angaben der US-Behörden keine Massenflucht von Erdbebenopfern aus Haiti in die USA.

Hilfe beginnt zu greifen

Große Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz erklärten, in Haiti komme Unterstützung nun an. Allerdings sei die Verteilung der Hilfsgüter immer noch äußerst schwierig. Als die Deutsche Welthungerhilfe am Donnerstag Bohnen, Reis und Salz an Bedürftige verteilte, endete dies in einem Tumult, bei dem junge Männer Frauen und Kinder abdrängten und die Hilfsgüter raubten.

Die Polizei von Haiti erschoss in Port-au-Prince einen Mann, der einen Sack Reis unter dem Arm hatte. Er sei wohl für einen Plünderer gehalten worden, berichtete der US-Nachrichtensender CNN.

Österreichische Helfer: "Anspannung ist enorm"

Die österreichischen Helfer finden sich auf Haiti in einer schwierige Situation wieder. Vor allem die gefährliche Sicherheitslage sei ein Problem, erklärte "Nachbar in Not"-Vorstandsvorsitzender und Caritas Auslandshilfe-Chef Christoph Petrik-Schweifer am Freitag in Wien. "Die Menschen sind verzweifelt. Da geht es ums Überleben, die Anspannung ist enorm." Da gebe es Väter, die um das Überleben ihrer Familie ringen und Mütter, die darum kämpfen, ihre Kinder ernähren zu können: "Da kann man nicht erwarten, dass sich die Menschen (bei der Verteilung der Hilfsgüter, Anm.) in der Schlange anstellen und warten", so Petrik-Schweifer. "Man weiß ja nicht, ob es für alle reicht." Deshalb sei es wichtig, dass es genügend Sicherheitskräfte gebe.

Die heimischen Helfer sind auf Haiti in ein internationales Netzwerk eingebunden: "Sie schlafen unter Bäumen, auch wegen der Angst vor Nachbeben. Sie arbeiten rund um die Uhr, um das Tageslicht auszunutzen." Das Verteilen von Hilfsgütern in den Nachtstunden sei gefährlich. Die Helfer seien gleichzeitig mit der Verzweiflung der Menschen konfrontiert, müssten die Planung für den nächsten Tag machen, sollten nebenbei Informationen an ihre Organisationen zu Hause weitergeben und würden vielleicht noch Nachbeben während der Nachtstunden erleben: "Es ist ein immenser Stress für alle Beteiligten", sagte der Caritas Auslandshilfe-Chef. Die Situation auf Haiti sei die bisher "komplexeste Herausforderung".

Auch der Kommunikationschef des Österreichischen Roten Kreuzes, Michael Opriesnig, berichtete, eine Mitarbeiterin hätte am Telefon gesagt, sie sei noch nicht mit einer solchen Form einer Katastrophe konfrontiert gewesen: "Sie war niedergeschlagen - das ist man von unseren Leuten nicht gewohnt", so Opriesnig. Das Camp auf Haiti, das rund 150 internationalen Rotkreuz-Mitarbeitern als Stützpunkt dient, sei Schlafstätte, Hilfslager und Meeting-Point in einem. "Es ist eine Situation, die nur erfahrene Helfer meistern können." Damit auch die Helfer das Erlebte verarbeiten können, sind an Ort und Stelle entsprechend ausgebildete Betreuer dabei und auch nach der Rückkehr in die Heimat werden sie psychologisch unterstützt.

Suche eingeschränkt

Die UNO will indes die Suche nach Verschütteten nach dem schweren Erdbeben in Haiti zurückfahren. "Die Rettungsteams konzentrieren sich zusehends auf humanitäre Hilfe für die Überlebenden", sagte UN-Sprecherin Elisabeth Byrs am Freitag in Genf. "Die Mannschaften mit leichtem Gerät sind erschöpft und beginnen die Heimreise", fügte sie hinzu.

Teams mit schwerem Gerät "werden weiter Tote aus den Trümmern bergen". Helfer aus aller Welt arbeiten unterdessen weiter rund um die Uhr bis zur völligen Erschöpfung. Noch neun Tage nach dem Jahrhundertbeben der Stärke 7,0, bei dem womöglich bis zu 200.000 Menschen starben, fanden sie noch Überlebende. Zehntausende starben durch das Beben. 

Nachbeben

Die Serie von Nachbeben in Haiti wird nach Ansicht von US-Experten noch Monate, vielleicht sogar Jahre andauern. Zwar würden die Abstände zwischen den einzelnen Beben mit der Zeit größer. Nach wie vor drohten in den kommenden Monaten aber auch Erschütterungen mit großem Zerstörungspotenzial, heißt es in einer Lageeinschätzung der US-Erdbebenbehörde USGS. (APA)