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Somalische Piratenboote, aufgenommen von der portugiesischen Marine. Obwohl die EU-Mission gegen Piraterie Erfolge feierte, halten die Piraten derzeit elf Schiffe mit fast 270 Mann Besatzung in ihrer Gewalt.

Foto: Epa

Mogadischu - Schiffe kapern und Beute machen - was andernorts als Berufswunsch kleiner Buben belächelt wird, ist für junge Somalier bitterer Ernst: Sie werden Piraten, um schnell an viel Geld zu kommen. "Wir bekommen jeden Tag neue Milizionäre, und das ist ein Grund für die steigende Zahl der Angriffe", sagt Abdi Yare, der Anführer einer Piratenbande aus Harardere rund 330 Kilometer nördlich von Somalias Hauptstadt Mogadischu.

Obwohl die EU-Mission gegen Piraterie Atalanta Erfolge feierte, halten die Piraten derzeit elf Schiffe mit fast 270 Mann Besatzung in ihrer Gewalt. In Harardere könnte sich der Geldsegen für die Seeräuber jedoch bald in einen Fluch verwandeln.

"Rund 100 unserer Männer sind gegenwärtig auf der Jagd", erzählt Abdi Yare. "Das ist viel für so ungünstige Wetterbedingungen wie in diesen Tagen. Wenn der Wind sich legt, werden es noch mehr." In Somalia herrscht seit 1991 Bürgerkrieg, die staatlichen Strukturen sind zerfallen, überall grassiert die Arbeitslosigkeit. Eine Karriere als Seeräuber scheint da verlockend: "Wenn Jugendliche, die nichts zu tun haben, von unermesslichen Lösegeldern hören, die die Piraten erbeuten, dann ist das Ansporn genug", sagt Mohamed Abdule aus Harardere.

Piraten weiten Operationsgebiete bis zu den Seychellen aus

2007 genügten ein Enterhaken, ein paar Kalaschnikows und ein kleines Boot, um eines der 20.000 Schiffe anzugreifen, die jedes Jahr auf einer der wichtigsten Handelsrouten den Golf von Aden passieren. Seither aber entsandten mehr als 15 Nationen eine ganze Armada von Kriegsschiffen.

Die Piraten haben darauf reagiert und schlagen jetzt weiter im Osten zu, im Indischen Ozean bis hin zu den Seychellen. Von den ausländischen Sreitkräften zeigen sie sich unbeeindruckt: "Unsere Männer werden die Schiffe auch vor der Nase der ausländischen Fregatten entführen", prahlt der Pirat Hassan Ganey. "Wenn wir Kriegsschiffe sehen, ändern wir einfach den Kurs." Auch der 23-jährige Seeräuber-Lehrling Gure schwärmt: "Das Geschäft floriert. Sie kapern ein Schiff, und ein paar Wochen später haben sie das Geld!"

Die somalische Marine bestätigt die wachsende Popularität der Piraten bei der Jugend des Landes: "Seit einigen Monaten verzeichnen wir eine Steigerung um fast 50 Prozent bei Jugendlichen, die bei den Piraten anheuern", sagt der Admiral Farah Qare. In den Piratenstützpunkten um Hobyo und Harardere schätzten die Einwohner die Zahl der kriminellen Seefahrer im vergangenen Sommer auf rund 500.

Geldsegen durch Piraterie könnte sich als Fluch erweisen

Der bescheidene Fischerhafen Harardere wandelte sich durch die Freibeuter und ihren neuen Reichtum inzwischen zum weltweit bekannten Piraten-Eldorado. Von ihrer Beute haben die Seeräuber einen beträchtlichen Teil an Angehörige und die örtliche Bevölkerung verteilt. Gleichwohl wird ihnen vorgeworfen, dass sie Alkohol, Prostitution und Inflation mitbringen. Auch sonst könnte sich der Geldsegen in der bitterarmen Gegend bald in einen Fluch verwandeln.

In den vergangenen Tagen lieferten sich rivalisierende Banden heftige Schießereien, bei denen sieben Menschen starben, unter ihnen ein unbeteiligter Anrainer. Grund für den Ausbruch der Gewalt war ein Rekordlösegeld von umgerechnet knapp fünf Millionen Euro, abgeworfen aus einem Hubschrauber für die Freilassung des Supertankers Maran Centaurus.

"Wir haben damit gerechnet", sagt Mohamed Sandhere aus Harardere. "Die Kerle haben sich ans schnelle Geld gewöhnt, und in einer Mafia-Organisation heißt es: töten oder getötet werden." Jussuf Moalim Ali, der unter den Piraten vermittelte, sieht weitere Konflikte kommen: "Das Misstrauen wächst, und wir befürchten ein weiteres Drama." Und der Anführer Abdi Yare bestätigt: "Inzwischen misstraut jeder jedem."

Um an frisches Geld zu kommen, werden neue Kaperfahrten geplant: "Wenn das Wetter besser wird, werden sie zu hunderten in See stechen", sagt ein alter Mann, Mohamoud Adan Tuke. "Für 2010 prophezeie ich Ihnen das schlimmste Jahr im Indischen Ozean." (AFP)