Das neue Leichenbestattungsgesetz der Steiermark betrifft viele verschiedene Religionen: ein Beispiel dafür, wie neben Gender-Mainstreaming auch immer mehr Diversitätsfragen in die Legistik einfließen

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Graz/Wien - Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich, oder sollten es zumindest sein. Daher spielen Fragen des Gender Mainstreaming, also der Gleichstellung der Geschlechter, aber auch der Aspekt der Diversität, also das Verwalten der Vielfalt, etwa von verschiedenen Religionen, vermehrt eine Rolle in der Legistik.

Pluralismus an Lebensformen

In der Steiermark wird derzeit ein neues Leichenbestattungsgesetz im Gesundheitsunterausschuss des Landtages verhandelt. Es ist ein ideales Experimentierfeld für die Anwendung von Diversitätskriterien. "Ich mag dieses Gesetz sehr", erzählt Grünen-Landtagsabgeordnete Edith Zitz, die es mitverhandelt, "weil es ein praktisches Beispiel für den Pluralismus an Lebensformen und Glaubensfragen im Alltag ist".

Immer schwerer Religionsgesetze einzuhalten

Und ein Beispiel für deren Umsetzung: So war es etwa schon bisher für Muslime und Juden problematisch, dass man einen Leichnam erst nach 48 Stunden bestatten darf. Im neuen Gesetz wird diese Frist sogar auf bis zu fünf Tage ausgedehnt. "Das macht es für uns nicht nur schwieriger", so der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Gérard Sonnenschein im Standard-Gespräch, "es macht es uns eigentlich unmöglich, unsere Religionsgesetze einzuhalten, denn wir sollten jemand sobald als möglich beerdigen".

"Integrationspolitik pur"

"Wenn das Gesetz wirklich so kommt, ist das diskriminierend", meint auch Roswitha Al-Hussein, Obfrau der Selbstorganisation von und für Migrantinnen und Musliminnen (SOMM) in Graz. Eine ähnliche Problematik besteht in der so genannten Einsargungspflicht, denn während bei muslimischen und jüdischen Riten der Leichnam auch in ein weißes Tuch gewickelt begraben werden kann, heißt es im Gesetz: "Die Einsargung der Leiche hat so zu erfolgen, dass die Pietät und Würde des Toten gewahrt wird." Eine Frage der Pietät? "Sicher nicht", glaubt Zitz, und pragmatische Gründe dafür gebe es nicht: "Ich hab die Gesundheitsbehörden gebeten, mir einen einzigen Grund zu nennen, warum ein Sarg - nach dem Transport - notwendig ist. Es gibt keinen. Hier geht es um Integrationspolitik pur, - und gratis. Man müsste nur Respekt zeigen."

Erleichterungen für Urnen zuhause aufbewahren

Aus dem Büro von SP-Gesundheitslandesrätin Bettina Vollath gab es auf Standard -Nachfrage keinen Kommentar zum Gesetzesentwurf, da er "noch nicht öffentlich" sei. Er ist allerdings auf der Landtags-Homepage unter den Begutachtungen von 2009 für jedermann nachzulesen. Verbesserungen sieht Zitz im Entwurf, wo es um Agnostiker oder Atheisten geht, weil es künftig etwa erleichtert werden soll, Urnen zuhause aufzubewahren.

Konfessionsfreie Friedhöfe weiterhin undenkbar

Private, konfessionsfreie Friedhöfe, ähnlich den "Friedenswäldern", wie sie es sie Deutschland gibt, seien aber in Österreich noch undenkbar, meint Zitz: "Da hat die Katholische Kirche ihre Hand ganz fest darauf".

Zitz wünscht sich einen Diversitätsleitfaden für Legisten, wie es ihn für Gender Mainstreaming bereits gibt. Die Juristin Christine Gaster hat ihn bereits 2007 für die damalige SP-Frauenministerin Doris Bures erarbeitet veröffentlicht. Angewandt wird er aber noch nicht. Die darin enthaltene Checkliste könnte fast eins zu eins in Diversitätsfragen helfen. (DER STANDARD Printausgabe 21.1.2010)