Pro+++: Kein Kavaliersdelikt
Von Roman David-Freihsl

Totschlag ist kein Kavaliersdelikt. Ein Vergehen nach dem § 76 des Strafgesetzbuches ist ein schweres Verbrechen, das mit einer Freiheitsstrafe von fünf bis zehn Jahren bedroht ist. Man kann also nicht behaupten, dass unsere Gesetze "Frauen vor brutalster Gewalt nicht schützen", wie die Kronen Zeitung anprangert. Die Frage ist eher: Sind sie ausreichend geschützt? Im Falle jenes Türken, der seine Frau fast umbrachte, war der Staatsanwaltschaft das verhängte Strafmaß von sechs Jahren jedenfalls deutlich zu gering - sie ging in Berufung.

Handelte es sich aber um versuchten Mord oder Totschlag? Der entscheidende juristische Unterschied lautet: Wird ein Mensch vorsätzlich umgebracht, ist es Mord. Handelte der Täter in einer "allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung" - kurz: hat er die Tat nicht geplant, sondern ist vollkommen ausgerastet - dann ist es Totschlag.

Das Gericht muss nun ergründen, ob nachvollziehbar ist, dass sich der Täter in einem derartigen Gemütszustand befand. Um das herauszufinden, kann - aber muss nicht - das soziale Umfeld des Angeklagten herangezogen werden: Hat er in seinem bisherigen Lebensweg gelernt, mit Konflikten, mit Extremsituationen umzugehen? Dies muss allerdings für alle gleich gelten - egal ob für In- oder Ausländer.

Oder aber man sagt: Wer einen anderen Menschen umbringt, ist grundsätzlich ein Mörder. Dann müsste man allerdings den Totschlag-Paragrafen abschaffen.

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---Contra: Macho Macho Man
Von Andrea Schurian

So sind sie, diese Südländer. Geraten eben "aufgrund ihrer Herkunft und Sittenvorstellungen" leichter in Wut und stechen folglich in "allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegungen" ihre Frauen (fast) ab, wenn diese die Scheidung wollen. Die tausenden in Österreich lebenden Menschen mit (türkischem) Migrationshintergrund werden sich jedenfalls artig bedanken, dass ihnen dieses unfassbar verharmlosende Fehlurteil kollektiv unterstellt, testosterongesteuerte Machos zu sein, die kulturell adäquat auszucken, wenn ihre Frauen genug von ihnen haben. Jeder schnapsnasige Austro-Schläger ist ihnen demzufolge zivilisatorisch überlegen. Interessant.

Wie war das noch einmal mit der Gleichheit vor dem Gesetz? Und wo bleibt der Grundsatz, Menschen unabhängig von Herkunft, Nationalität, Religion und Geschlecht gleichen rechtlichen Schutz zu gewähren? Häusliche Gewalt ist keine Frage der Ehre. Und Mordversuch kein Totschlag.

Eine, die vermutlich nicht mehr ans österreichische Rechtssystem glaubt, ist wohl jene Ehefrau, die schon vorher von ihrem Prügel-Mann mit dem Umbringen bedroht wurde und die ihr Leben nur dem Einschreiten des Sohnes verdankt. Kein Wunder, dass beide vor Gericht nicht ausgesagt haben - aus Angst, der Gewalttäter könnte sein Totschlagwerk nach dem Knast vollenden. Sicher wird er auch wieder in einer "besonders schwierigen Lebenssituation" sein, die sich "in einem Affekt" entlädt. 

(DER STANDARD, Printausgabe 20.01.2010)