Wien - "Zufallsfund" nennt der Wiener Politikwissenschafter Walter Manoschek seine Entdeckungen auf der offiziellen Homepage des Parlaments (www.parlament.gv.at) - und zwar einen sehr verwunderlichen. Manoschek ärgert sich über die geschönten Biografien von Abgeordneten, die er dort unter dem Titel "Die Parlamentarier seit 1918" entdeckte. Sein Befund ist eindeutig: "Das ist hochgradige Geschichtsklitterung", sagt Manoschek im Gespräch mit dem STANDARD.

Zum Beispiel Siegmund Burger. Der 1992 verstorbene Kärntner saß von 1970 bis 1982 für die ÖVP im Nationalrat. Dass Burger während der NS-Zeit Offizier bei der Waffen-SS war, hat er verschwiegen. Dabei war, sagt Manoschek, der konservative Abgeordnete bei der SS Division Wiking im Rang eines Untersturmführers. Auf der Parlaments-Page wird daraus ein irreführendes "aktiver Offizier (Oberstleutnant)".

Lücken im Lebenslauf

Auch bei einem anderen, mittlerweile verstorbenen ÖVP-Mandatar wurde weggelassen, was stören könnte. Der Dornbirner Industrielle Rudolf Hämmerle saß von 1962 bis 1970 im Nationalrat. Dass er schon im März 1931 SS-Mitglied und ein Jahr später der NSDAP (Mitgliedsnummer: 1.620.889) war, sucht man vergebens. "Der war eine ganz große Nummer. Das sollte man den Besuchern der Homepage auch zeigen", sagt der Historiker Harald Walser, der die Vergangenheit Hämmerles in Vorarlberg schon vor langer Zeit erforscht hat. "Die Eigentümer von F. M. Hämmerle konnten", hält Walser etwa in einem wissenschaftlichen Beitrag fest, mit einem Kompagnon "in Wien von der für 'Arisierungen' zuständigen 'Vermögensverkehrsstelle' eines der europaweit größten Kaufhäuser erwerben: die Herzmansky KG" in Wien.

Walser - seit Ende 2008 grüner Bildungssprecher - fordert eine historische Überprüfung der Parlaments-Homepage: "Wie bei der Aufarbeitung der jüdischen Abgeordneten soll Nationalratspräsidentin Barbara Prammer die historische Forschung weiterführen", sagt der Grüne. Der Hintergrund: 2009 wurde ein Projekt in Zusammenarbeit mit der Universität Wien über die "jüdischen Abgeordnete im österreichischen Parlament 1861 bis 1938" abgeschlossen - der Endbericht samt Biografien findet sich auf der Parlaments-Hompage.

Auch Walter Manoschek fordert Änderungen: "Das Parlament würde gut daran tun, seine Homepage auf weitere Fälle untersuchen zu lassen", sagt er. Denn man müsse davon ausgehen, dass diese "keine Einzelfälle darstellen".

Das glaubt man offenbar auch nicht im Prammer-Büro. Dort wird auf den geplanten großen Relaunch der Homepage Mitte des Jahres verwiesen. "Das Problem ist prinzipiell bekannt", heißt es. Ein eigenes Team soll bis dahin eine Lösung erarbeiten.

Team auf Lösungssuche

Lücken in den Biografien finden sich längst nicht nur bei Mandataren der ÖVP. Fündig wird man auch bei SPÖ und FPÖ. Beispielsweise beim früheren Verteidigungs- und Innenminister Otto Rösch von der SPÖ. Das Leben des 1917 geborenen Wieners "beginnt" auf der Homepage erst 1951. Der "Spiegel" hatte bereits 1970 seine NSDAP-Zugehörigkeit (Mitgliedsnummer: 8.595.796) aufgedeckt. Da verwundert es nicht mehr, dass auch beim Langzeit-Obmann der Freiheitlichen, Friedrich Peter, kein Wort über seine NSDAP-Mitgliedschaft, seine Zeit in der 1. Infanteriebrigade der Waffen-SS, geschweige denn seine Zeit im amerikanischen Anhaltelager für ehemalige Nationalsozialisten in Glasenbach zu finden ist. (Peter Mayr/DER STANDARD-Printausgabe, 20.1.2010)