Wien - Ein nur neunseitiger Endbericht: Das ist das Ergebnis der Evaluierungskommission im Entführungsfall Natascha Kampusch, das seit Dienstag über die Homepage des Innenministeriums öffentlich zugänglich ist. Damit ist die Arbeit der Kommission, die VP-Innenministerin Maria Fekter vor rund zwei Jahren einsetzte, abgeschlossen. Und damit dürfte auch der Fall rund zwölf Jahre, nachdem Kampusch als Kind am Schulweg in einen Pkw gezerrt wurde, und zweieinhalb Jahre nach der Selbstbefreiung der Frau zu den Akten gelegt werden. 

Nachdem schon am 8. Jänner die Oberstaatsanwaltschaft ihre Ermittlungsergebnisse präsentierte - der Standard berichte - und dabei die Mittätertheorie, für die sich die Hinweise gegen Ende des Vorjahres verdichtet hatten, ausschloss, enthält auch der Bericht der Kommission keine neuen Erkenntnisse. Im Zusammenhang mit "Vertuschungstendenzen" aus parteipolitischen Gründen, wie sie der Grünen-Nationalratsabgeordnete Peter Pilz dem Innenressort vorgeworfen hatte, spricht der Bericht von einer "Haltlosigkeit der entsprechenden Behauptungen". Der Bericht schließt mit der Empfehlung, dass Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei in Österreich künftig ihre Zusammenarbeit "optimieren" sollten und mit der Schlussbemerkung, dass die Evaluierungskommission ihren Auftrag nicht eigenständig erweitert habe - entgegen "sämtlichen Vermutungen und öffentlichen Stimmen".

Einer war bei der letzten Sitzung der Kommission nicht dabei: Der Kommissionsleiter Ludwig Adamovich. "Ich habe am Endbericht aus Krankheitsgründen nicht mitgewirkt", sagt Adamovich im Standard-Gespräch, "und ich kann Ihnen versichern, es war keine diplomatische Krankheit." Gefragt, ob die Kürze des Berichtes nicht etwas überraschend sei, meint der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofes: "Seien Sie ruhig überrascht. Es wurde ja bei der Pressekonferenz am 8. Jänner bereits dies und das gesagt, dem ist nichts mehr hinzuzufügen." Vertuschungen seien schon im Zwischenbericht der Evaluierungskommission 2008 kein Thema, aber "Schlampereien gab es".

Plötzlich neue Beweislage

Zudem habe sich die Beweislage in den letzten Wochen plötzlich verändert: Eine Zeugin, die Jahre lang "fest und steif behauptet hat, einen zweiten Täter beobachtet zu haben - auch bei einer Rekonstruktion am Tatort als Erwachsene -, hat bei der Gegenüberstellung mit Frau Kampusch plötzlich eingeräumt, sich geirrt haben zu können", so der Kommissions-Chef weiter. Offen bleibe die Frage: "Wie ist Herr Priklopil ausgerechnet auf Frau Kampusch gekommen? Wenn da noch jemand daraufkommt, das könnte interessant werden."

Ob die offiziellen Ergebnisse für Adamovich zufriedenstellend seien und er persönlich den Fall als gelöst sehe, will Adamovich nicht beantworten: "Was ich mir persönlich denke, ist vollkommen uninteressant. Ich stehe zu 100 Prozent hinter dem Endbericht." (Colette M. Schmidt/DER STANDARD, Printausgabe, 20.1.2010)