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Seit Wochen schwanken die Aktienmärkte hin und her, ohne dass ein Trend erkennbar würde. Dies wird gemeinhin mit den irak-bedingten Ungewissheiten begründet. Ein größeres Fragezeichen muss aber wohl hinsichtlich des weiteren Wirtschaftsverlaufs gesetzt werden. Fast alle Konjunkturindikatoren weisen nach unten, mit wenig Aussicht auf (Ver)Besserung.

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Die Finanzmärkte sind zur Zeit absolut auf die Risiken des Irak-Konflikt fokussiert. Je nach Nachrichtenlage wird im großen Stil umgeschichtet: Schließt ein US-General eine längere Dauer des Krieges nicht aus, werden Aktien abgestraft, das Geld fließt in Renten und Gold, Ölpreis und Euro klettern. Sichern die US-Truppen zwei Tage später eine Brücke, machen die Investoren auf dem Absatz kehrt und gehen massiv in Aktien - die Waage schlägt in die andere Richtung aus.

Kriegsinterpretation unverändert dominant

Für einen Anleger ist es deshalb zurzeit kaum möglich, mit dem gezielten Auswählen unterbewerteter und fundamental aussichtsreicher Aktien (Stock-Picking) eine Outperformance zu erzielen, und auch die Methoden der Charttechnik lassen so überhaupt nur äußerst kurzfristige Kursgewinne zu. Das könnte sich schon bald ändern. Die Frage ist nämlich nicht mehr, ob die USA und Großbritannien, also die „Koalition der Willigen“ den Krieg gewinnen, sondern nur noch wann.

Einerseits unterbewertet ...

Dabei wirken gemäß fundierter Experten-Meinung die Aktienmärkte im Vergleich zu Anleihen derzeit historisch durchaus billig. Eine diesbezüglich leicht nachvollziehbare Möglichkeit hierfür bildet der Vergleich der Kurs-Gewinn-Ratios, indem man die jeweilige Anleihenrendite gewissermaßen als den laufenden Gewinn heranzieht, und in Relation zu dem Kurs setzt . Dies führt unter Annahme einer staatsanleihenrelevanten Ausgabekurs unschwer zu der Erkenntnis eines KGVs von rund 20. Im Gegensatz stellt insbesondere der amerikanische S&P keine allzu billige Alternative dar (KGV 30), die meisten europäischen Börsen mit Gewinnration von deutlich unter 20 jedoch sehr wohl.

Ein andere Möglichkeit besteht im Vergleich von Aktien- zu Rentenmärkten, indem die Gewinnrendite eines Aktienindexes ins Verhältnis gesetzt zur Rendite lang laufender Staatsanleihen. Weil Aktien im Vergleich als risikoreichere Papiere gelten, ist in der Regel ihre Gewinnrendite höher als die Anleiherendite. Dieser Aufschlag wird als Risikoprämie bezeichnet. Auf Basis der Gewinnschätzungen für das laufende Jahr liegt beispielsweise die Aktienrendite des DAX aktuell bei 8,2 Prozent und ist damit fast doppelt so hoch wie die Rendite von zehnjährigen Staatsanleihen im Euroraum.

Rein grundsätzlich ist ein derartiger Renditeabstand als außergewöhnlich hoch einzustufen. Dies im Einklang mit der Tatsache, dass vor allem die europäischen Märkte noch stärker unterbewertet wirken als der US-Markt. Seit den Höchstständen im Frühjahr 2000 hat der Dow Jones rund 30 Prozent verloren, der europäische Stoxx-50-Index mit rund 60 Prozent deutlich mehr und der Dax sogar 70 Prozent.

Andererseits drückt der Konjunkturschuh ...

Soll der Anleger jetzt also einsteigen? Vor einem Jahr stand der Dax bei 5200 Punkten und galt ebenfalls schon als historisch niedrig bewertet. Der vielbeschworene Konjunkturaufschwung hat sich seither jedenfalls nicht eingestellt, weder in den USA und schon gar nicht in Europa oder Japan. Ob er nach dem Kriegsende einsetzen wird, wie die Optimisten - unter ihnen die meisten Exponenten der Vereinigten Staaten - glauben, muss sich erst weisen. Skeptiker meinen, die Investitionstätigkeit werde nicht durch die politischen Unwägbarkeiten behindert, sondern durch die Gewissheit, dass nach wie vor umfangreiche Kapazitäten brach liegen; von einem kriegsbedingten Investitionsstau könne also nicht die Rede sein.

Die Pessimisten befürchten zudem, dass bei einer weiteren Verschlechterung der internationalen Arbeitsmarktlage die private Konsumnachfrage, die sich bis dato bemerkenswert stabil hielt, insbesondere in den Vereinigten Staaten wegbrechen und die Wirtschaft erneut in eine massive Rezession stürzen könnte. Allerdings besteht als Ausläufer eines aus Allierten-Sicht erfolgreich verlaufenen Irak-Konflikts die Möglichkeit der nachhaltigen Senkung der Ölpreise, die einer weltweiten Steuersenkung gleichkommen, und damit tatsächlich konjunkturbelebend wirken würde.

Fazit: Anleger verlangen derzeit eine enorm hohe Risikoprämie bei Aktien - vor allem wegen des Irak-Krieges, aber auch wegen des geschwundenen Vertrauens in den Aktienmarkt. Sollte der Irak-Konflikt nicht mehr lange dauern, könnte dies zu einer erneuten Kursrally im Ausmaß von 15 bis 30 Prozent führen, und die Prämie vorerst schnell zum sinken bringen. Spätestens danach dürften sich die Akteure wieder vermehrt den Fundamentaldaten zuwenden, eine aus derzeitiger Sicht eher nichts Gutes verheißende Kehrtwende.

Nachlese

--> Schweigen in der Folterkammer
--> Politik beeinflußt die Börsen wenig
--> Die Baisse kann bis 2018 andauern...
--> 1:0 für Anleihen
--> Arme Rentner
--> Kanonendonner oder Kursfeuerwerk?
--> Gratis-Kredit für den Chef
--> Aktien-Lotto
--> Quo vadis, Greenback?
--> 100 minus Lebensalter = Börsenerfolg
--> Haben „Bob the builder“ und US-Präsident Bush etwas gemein?
--> Aktien oder Anleihen: The winner is ...
--> Dow Jones in Richtung 120.000
--> "Baissemarkt bis 2018"
--> Eine schöne Bescherung
--> Von Analys(t)en und Abhängigkeiten
--> Börsen vor "Happy Wende"
--> Wenn der Zauber nicht wirkt
--> Contrariens unter der Lupe
--> Börsencrash revisited
--> Jim Rogers küsst wieder in Wien
--> Bush, Greenspan, Bin Laden ...
--> Zum Verkaufen zu spät, zum Kaufen zu früh
--> Japan ist einen Börsenblick wert
--> Wie sicher sind Versicherungsaktien?
--> Droht ein neuer Ölpreisschock?