Havanna/Montevideo - In Havanna haben die Schnellprozesse gegen Regimegegner begonnen. Donnerstag wurden vor vier Gerichten in Havanna die Anklagen gegen Gruppen von jeweils fünf Dissidenten verlesen; ähnliche Verfahren begannen in den Provinzen. Die Prozesse fanden hinter verschlossenen Türen statt; ausländischen Journalisten und europäischen Diplomaten war der Zutritt verweigert.

Insgesamt 78 Oppositionellen und Journalisten drohen zum Teil lebenslange Haftstrafen. Sie waren vor zwei Wochen in einer Nacht- und Nebelaktion des kubanischen Regimes verhaftet worden. Es war einer der massivsten Schläge gegen Andersdenkende auf Kuba seit der Machtübernahme durch Fidel Castro 1959. Menschenrechtsorganisationen, EU, Intellektuelle aus aller Welt, katholische Kirche und US-Regierung verurteilten die Repressionswelle vehement. "Wir verlangen die sofortige Freilassung der politischen Gefangenen", erklärte das US-Außenamt.

Den Dissidenten werden unter anderem Verschwörung gegen die "territoriale Integrität und die Unabhängigkeit Kubas", Vaterlandsverrat und Kollaboration mit feindlichen Mächten vorgeworfen. Diese Straftat wird mit zehn Jahren bis lebenslänglicher Haft geahndet. Die Höchststrafe droht unter anderem Hector Palacios. Er ist einer der Initiatoren des Varela-Projektes, ein von 11.000 Kubanern unterschriebener Entwurf für ein Referendum zur Demokratisierung des Landes. (DER STANDARD,Print-Ausgabe vom 5./6.4.2003)