Jane Goodall und ein "haariger Vetter": Wie lange werden Schimpansen noch in freier Wildbahn existieren?

Foto: Der STANDARD/Imax

Interessanterweise waren es drei Frauen, die unsere nächsten Verwandten im Tierreich aus einem bahnbrechend neuen Blickwinkel wissenschaftlich erforschten: Dian Fossey arbeitete über Gorillas (ihr Engagement kostete sie schließlich sogar das Leben), Biruté Galdikas untersuchte im Dschungel Borneos ebenfalls unter großen Entbehrungen die Lebensweise der Orangutans, und Jane Goodall widmete ihr gesamtes Leben der Schimpansen-Forschung. Ihrer Arbeit und den Schimpansen von Gombe ist ein neuer Film gewidmet, der ab 11. April im Wiener Imax-Theater beim Technischen Museum zu sehen sein wird.

Geboten werden hautnahe Einblicke ins Leben unserer nächsten "tierischen" Verwandten - immerhin haben wir mit Schimpansen beinahe 99 Prozent unseres Erbgutes gemeinsam. Zu hoffen ist auch, dass der Film das Bewusstsein dafür hebt, dass Schimpansen ebenso wie die anderen großen Menschenaffen, also alle tierischen "Vettern" des Menschen, akut vom Aussterben bedroht sind.

Der Grund: Wie für alle Wildtiere wird auch für sie der Lebensraum immer kleiner, weil eine wachsende menschliche Bevölkerung immer mehr Land für sich beansprucht. Dazu kommen massive Abholzungen: Einerseits wird der Wald zerstört, andererseits kommen mit den Holzkonzernen die Jäger. "Bushmeat" ist gefragt in Afrika, unzählige Schimpansen werden zur Fleischbeschaffung getötet. Vor rund einem Jahrhundert existierten noch geschätzte zwei Millionen Schimpansen in freier Wildbahn, heute sind es nur noch 150.000.

Außerdem werden Schimpansen nach wie vor für den "Heimtiermarkt" gefangen (befreite Jungtiere werden in "Waisenhäusern" auf das Leben in Freiheit vorbereitet) und für die medizinische Forschung eingesetzt: Rosi und Hiasl, die beiden befreiten "Immuno-Schimpansen"; haben seit mehr als einem Jahrzehnt Asyl im Wiener Tierschutzhaus. Zurzeit entsteht im Safaripark Gänserndorf ein von der Pharmaindustrie gesponsertes "Primatenzentrum", wo Affen, die nicht mehr als Labortiere "benötigt" werden, ein tiergerechtes Leben geboten werden soll.

Im neuen Imax-Film werden Schimpansen gezeigt, die unter natürlichen Bedingungen leben dürfen. Jane Goodall hat in ihrer fast 30-jährigen Forschungstätigkeit Erstaunliches über sie herausgefunden: dass sie Werkzeuge herstellen, und dass die jüngeren Individuen diese Fertigkeiten von den älteren lernen. Dass sie in ihren Emotionen eine Tiefe erreichen, die unserer menschlichen Gefühlswelt nicht nachsteht: Schimpansen trauern, lieben und haben Sehnsüchte. Und sie haben eine dunkle Seite: Sie betrügen, täuschen, morden - Jane Goodall konnte sogar Kannibalismus dokumentieren.

Der Imax-Film gibt Einblick in den Schimpansen-Alltag - und er wird uns auch immer wieder die Ähnlichkeit zwischen uns, den "nackten Affen", und unseren haarigen Vettern vor Augen führen. "Menschenrechte für Menschenaffen" fordern Ethiker schon - die Schimpansen von Gombe zeigen, dass die Trennlinie zwischen Mensch und Affe eine künstliche ist. (Andrea Dee/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5./6. 4. 2003)