Columbia

Ein Drehbuchautor erfindet einen Film über einen Drehbuchautor und diesem einen Bruder, der auch Drehbuchautor ist: Das klingt nach viel beschriebenem Papier - ist aber einer der cleversten, lustigsten Filme dieser Tage: "Adaption".

Claus Philipp

Wien - Wenn man aus dem an und für sich harmlosen Begriff der "Verfilmung" boshaft die drohende Deformierung literarischer Vorlagen herauslesen kann, dann ist der in diesen Zusammenhängen oft benutzte Ausdruck "Adaption" nicht weniger tückisch.

Adaption, Anpassung, bedeutet frei nach Charles Darwin zwar auch Weiterentwicklung unter und durch veränderte Umweltbedingungen. Prekärer ist dieser Prozess aber aus Individual- und sozialpsychologischer Sicht: Geht es doch oft bis an den Rand der Deformation um "Einordnung in geltende Normen". Einerseits ist das offenkundig unumgänglich, andererseits wird es oft fatal - und zwischen diesen beiden Polen entwickelt sich die jüngste Farce von Spike Jonze (Being John Malkovich) gleich auf mehreren Ebenen.

Da wäre zum einen a) der real existierende Drehbuchautor Charlie Kaufman, der sich in Adaption ziemlich selbstbewußt zu einer Hauptfigur stilisiert, die wiederum b) von Nicolas Cage (mit dem kaputtesten Schamhaar-Toupet aller Zeiten) gespielt werden muss - weil c) ein real unglamouröser Kaufman auf der Leinwand nichts hergäbe.

Also muss er auf d) glamouröse Weise virtuos unglamourös gemacht werden. Damit nicht genug: Kaufman erfindet sich e) einen Zwillingsbruder namens Donald hinzu, der f) ebenfalls von Cage gespielt werden muss. Und schon sieht man: Auch unter den rigiden Rahmenbedingungen Hollywoods kann man Wirklichkeiten beträchtlich verkomplizieren.

Damit nicht genug. Charlie Kaufman soll einen Bestseller, ein Frauenbuch über einen Orchideensammler und -dieb zu einem vergleichbaren Filmhit umschreiben. Donald Kaufman hingegen arbeitet an einem potentiellen Action-und Horrorfilmhit, wofür er natürlich auch wieder Anleihen bei vergleichbaren Kinoerfolgen nimmt. Charlie will anders und kunstvoller schreiben als alle anderen. Donald besucht Drehbuchkurse, um exakt jene Tricks zu lernen, mit denen man Immergleiches immer neu verbrät.

Damit ist's aber auch nicht genug: Adaptation beginnt zwar am Set von Being John Malkovich, macht dann aber das, woraus sonst kein Film entstehen kann: Er entwickelt eine Erzählung über gescheiterte Szenenanläufen. Er reiht auf (r)evolutionäre Weise ein Versagen an das andere, bis schließlich doch ein Werk entsteht, das man getrost für mehrere Oscars nominieren konnte. Einen erhielt tatsächlich Chris Cooper, der im Film im Film bzw. später in der Wirklichkeit, die dieser Film irgendwann einholt, den Orchideendieb spielt: Einen Rüpel mit seltsamem Hang zu kultivierten Ideen und einem riesigen Fundus an verfilmbaren Schicksalsschlägen.

Befreite Form

Meryl Streep, leider nicht mit einem Oscar ausgezeichnet, soll als Journalistin dieses Schicksal nun in Prosa fassen. Charlie Kaufman soll die Erfahrungen, die sie damit macht, in ein Drehbuch verwandeln. Spike Jonze wiederum formt aus diesen Ketten und Wirbel von Entwicklungen und Weiterentwicklungen die vielleicht freieste Literaturverfilmung, die Hollywood je hervorbrachte: Eine Komödie, die ihren Produktionsbedingungen gleichermaßen gerecht wird wie ihrer eigentlich eher sentimentalen Vorlage; eine Farce, die die Wirklichkeiten, mit denen sie jongliert, bis zur Kenntlichkeit entstellt.

War Being John Malkovich ein Film, der quasi das innere absurde Drama von Schauspielern und einer ganzen Traum-Kunst-Industrie entfaltete, so geht Adaption noch einen Schritt weiter: Kaufman und Jonze betreiben nicht weniger als angewandte Film-Sprach-Kritik und zerlegen Hollywoods bewährte Erzählformate so lange, bis sie zu stottern beginnen und aus diesem Gestammel quasi eine neue Form entsteht.

Das mag akademisch klingen, und in der Tat ist Adaption eine wahre Fundgrube für Theoretiker. Andererseits findet man dieser Tage im Kino nur wenige derart unterhaltsame Filme. Auch wenn am Ende eine Verfolgungsjagd in den Sümpfen von Florida etwas zu ausführlich zelebriert wird (gleichsam als Actionfilm im Arthouse-Kino), bestechen Inszenierung und Drehbuch durch Timing, in dem amüsanteste Weise kein Fettnäpfchen unbetreten bleibt.

Chris Cooper und Meryl Streep vollführen gemeinsam etwas, das Cooper kürzlich mit einem guten Jazz-Duett verglichen hat. Und Nicolas Cage, der in den letzten Jahren ein wenig manieriert und schwerfällig zu werden schien, war selten mit derartiger Spielfreude und Lust am Werk: Auch das wäre, wenn man so will, ein Beispiel für Veränderung in diesem Film, der aus Ideenkonstrukten mehr Charaktere von Fleisch und Blut entwickelt als so manches Schauspielerdrama. (DER STANDARD, Printausgabe, 5.04.2003)