Haufen-weise Bares: Der Betrüger Dieter Glanz hat fixe Pläne, wie er es ausgeben wird. Ulrich Tukur im TV-Zweiteiler "Gier".

Foto: Arte/ARD Degeto/Boris Guderjahn

Wien - Die Unterschiede zwischen Hochstaplern und Betrügern sind fließend. Während der eine mit Vortäuschung falscher Tatsachen seinen Selbstwert zu nähren glaubt, füllt der andere zusätzlich seine Taschen. Beiden gemein ist: Sie müssen ihre Rolle leben. Die Lüge vorzutäuschen reicht nicht aus. Der Betrüger muss sich mit Haut und Haaren dem Betrug verschreiben. Ein solches Leben in der Überzeugung führt Dieter Glanz. Eine Art Prototyp: ein Schwätzer, großspurig, vertraulich, rauer Charme, Entschlossenheit vorgebend.

Im Zweiteiler Gier bringt Regisseur Dieter Wedel diesen gierigen Dieter Glanz zum Glänzen. In comicartiger Überzeichnung schickt er ihn in eine gekünstelt wirkende Welt der Reichen, die für den Zuschauer nur schwer zu ertragen ist. Die Fratze des Geldadels zeichnet Wedel, wie sie hässlicher nicht sein könnte. Die Mitglieder besaufen sich auf Partys, diskutieren über Kunst - ohne Kunstsinn und Verstand, ihre Geschäfte besprechen sie am Golfplatz, stets finden sich an ihrer Seite ahnungslose oder korrupte Politiker. Wedel versieht sie mit Charakteren, die sich mit ihren Namen verraten, etwa Gloria Glanz, Nadja Hartmann und Andy Schroth - ebenfalls eine bei Comics gern verwendete Methode.

"Faktor 13"

Inspirieren ließ sich der Regisseur vom deutschen Hochstapler Jürgen Harksen, der 1983 gutgläubigen (gierigen?) Anlegern in Hamburg Renditen bis zu 1300 Prozent versprach: "Faktor 13" nennt das auch Glanz in Gier. Prominente Opfer waren Dieter Bohlen und Udo Lindenberg. Der Betrug flog auf, Harksen floh nach Südafrika und wurde 2003 zu mehr als sechs Jahren Haft verurteilt.

Wedel-Premieren sind Ereignisse im deutschen Fernsehen, wiewohl es mittlerweile in Medien nicht mehr ganz so laut tönt. Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre war Wedel vermutlich einer der letzten Regisseure, der es schaffte, Zuschauer zum gemeinsamen Reflektieren beim "Bassenatratsch" zu versammeln. Wedel-Filme musste man gesehen haben, um mitreden zu können. Der große Bellheim und Der Schattenmann bescherten dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen Höhenflüge in Quoten und Anerkennung. Die Folge war ein Hype, dem sich Wedel gern aussetzte und sich mit der selbstverliebten Attitüde des "schwierigen Genies" versah. Gipfel der Medienhysterie war Der König von St. Pauli 1998, ein bis zur Peinlichkeit misslungenes Sittenbild (Sonja Kirchberger!) der Hamburger Rotlichtszene. Die Affäre Semmeling konnte den ramponierten Ruf kaum retten. Seither muss es Wedel kleiner geben.

Gier kostete mehr als sechs Millionen Euro. Ulrich Tukur, Uwe Ochsenknecht, Harald Krassnitzer und Jeanette Hain drehten in Südafrika, doch müssen zwei, nicht mehr sechs Teile reichen. Auf die Vorpremiere bei Arte folgt am 20. bzw. 21. Jänner die Ausstrahlung im ZDF. Kurios: Der ORF zahlte bei Gier mit, Ausstrahlungstermin ist vorerst keiner bekannt. Zum Film gab übrigens Gier-Vorbild Harksen ein Interview aus Mallorca, wohin er sich zurückgezogen hat. Ein zentraler Satz dürfte Wedel gefallen: "Gierig waren nur meine Kunden." (Doris Priesching/DER STANDARD, Printausgabe, 15.1.2010)