Florian Horwath: "Speak To Me Now"
CDs für eine Rezi anhören läuft bei mir so ab: 1. Runde: einmal durchhören für den ersten Gesamteindruck. 2. Runde: nochmal durch und Track für Track ein Plus oder Minus eintragen. In der 3. bis x.ten Runde geht's dann ins Detail. - Das führte beim dritten Album Florian Horwaths zu folgendem Ergebnis: 1) enttäuschend, leider. 2) ... plötzlich sehe ich zwölf Plusse vor mir (bei zwölf Stücken). Wie ist das nun wieder zustande gekommen? Muss wohl am bleibenden Eindruck liegen, den das Vorgängeralbum des Österreichers hinterlassen hat. "Sleepyhead" war so auf Perfektion getrimmt, dass eine ganze Reihe Songs klangen, als ob sie aus der Feder eines Brill Building-Meisterarrangeurs stammten.

Für "Speak To Me Now" wurde statt einer schwedischen eine österreichisch-deutsche Mannschaft (inklusive Sven Regener) zusammen getrommelt, das Ergebnis klingt spontaner, unberechenbarer und liegt irgendwo zwischen Folk und LoFi-Pop. Ja, manchmal zerbröselt's Horwath die Stimme (erst recht beim Pfeifen ...) und wenn's schon eine Coverversion von "Spirit in the Sky" sein muss, dann doch lieber die schamlose Plastik-Variante von Doctor and the Medics mit den groovenden Grufti-Tanten als Horwaths "On the Road Again"-Version. Aber irgendwie passt auf dem fragilen "Speak To Me Now" doch alles zusammen. 3) bis x) bestätigen: Das ist ein richtig gutes Album geworden. Veröffentlichung am 22. Jänner; am selben Tag beginnt die gemeinsame Tour mit Element of Crime. (Universal)

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Florian Horwath

Coverfoto: Universal

Vampire Weekend: "Contra"
Winter's cold is too much to handle / Pincher crabs that pinch at your sandals / Here comes a feeling you thought you'd forgotten: So schön sind die Jahreswechsel-Wehen noch selten weggetrommelt worden wie mit der Percussion-Orgie von "Horchata", dem passend nach einem frugalen Erfrischungsgetränk benannten Eröffnungstrack von "Contra". Kickstart ins neue Jahr! Wenige Zweitlingsalben sind zuletzt so gespannt erwartet worden wie das des New Yorker Quartetts - und "Contra" erfüllt alle Hoffnungen. Die vorab ausgekoppelte Single "Cousins" überraschte mit ziemlich punkigem Sound und warf zugleich bange Fragen nach einer eventuellen Soundverschiebung auf (warum sollten auch ausgerechnet die ihren Sound ändern), erweist sich aber nur als Erweiterung der bisherigen Palette. Ein zweites Mal überwältigen Ezra Koenig, Rostam Batmanglij & Co einen mit ihrer Mischung aus elektrischem Indie-Rock und karibischen Einflüssen - so lebendig, dass man in Ezras Juchzer auf "White Sky" unwillkürlich miteinfällt. Wie der Erstling erscheint "Contra" am Jahresanfang (genau gesagt am 8. Jänner), und wieder ist jetzt schon klar, dass es in der Jahresendbilanz ganz oben stehen wird. (XL Recordings)

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Vampire Weekend

Coverfoto: XL Recordings

Tarwater: "Donne-moi la main" (Soundtrack)
Wenn Bands an einen Filmscore gehen, hat das oft Wundertüten-Charakter. Pop-Olympier wie Saint Etienne oder Belle and Sebastian pflegen dann ihre experimentellen Seiten - und auch die Musik, die The Notwist letztes Jahr für Hans-Christian Schmids "Sturm" schrieben, lässt sich nur bedingt mit ihren regulären Alben vergleichen. Bernd Jestram und Ronald Lippok alias Tarwater hingegen hatten schon immer einen sehr kinematographischen Sound (Abteilung: Noir), ihr Score für "Donne-moi la main" fügt sich daher nahtlos ins bisherige Werk ein.

Pascal-Alex Vincents Film (Deutscher Verleihtitel: "Reich mir deine Hand") dreht sich um die Odyssee zweier Zwillingsbrüder auf der Suche nach sich selbst, ist streckenweise surreal und vibriert unter der lakonischen Oberfläche voller unausgegorener Gefühle - was gleichzeitig keine schlechte Beschreibung der Musik ist, die das Berliner Duo mittels Elektronik, Gitarren, Schlagzeug und Samples seit jeher schafft. Dazu kamen diesmal auf Wunsch des Regisseurs Instrumente, die das ländliche Ambiente des Films widerspiegeln sollen: Etwa eine Maultrommel (die verblüffend gut zum Keyboard passt) oder ein Banjo ... letzteres erinnert in Kombination mit den geisterhaften Samples an die Alben der amerikanischen Sound-Sammler The Books. Ein atmosphärisch dichter Soundtrack, der auch ohne Film funktioniert und zeigt, wie leer die musikalisch gar nicht so unähnlichen Stücke von Air im Vergleich sind. (Gusstaff Records)

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Tarwater

Coverfoto: Gusstaff Records

Mary Roos: "Amour Toujours"
Das Schlager-Biz der 60er und 70er Jahre (und besonders das deutsche) war auffallend um internationale Vernetzung bemüht. Sogar die große Francoise Hardy wurde zu deutschsprachigen Veröffentlichungen für den großen Markt vergattert - und Mary Roos aus Rheinland-Pfalz ging den umgekehrten Weg nach Westen. Das führte zwar nicht zu einer dauerhaften Doppelexistenz wie bei Reinhard Mey, den man in Frankreich als Frédérik Mey kennt und schätzt, aber immerhin kann die arrivierte Schlager-Veteranin heute auf einige französischsprachige Alben zurückblicken, die nun auf ein Best of eingedampft neu herausgegeben wurden.

Was die Arrangements betrifft, ist 70er-Jahre-typisch die klare, fast geometrische Eleganz der 60er einem auf Gefallensmaximierung bedachten Wohligweichklang gewichen. Mit jugendlicher Süße trällert sich Roos dazu durchs Liederbuch der Jet Set Musique: Eins für die Regenschirme von Cherbourg ("Goutte, Goutte"), eins für Burt Bacharach im französischen Tarnanzug ("Amour Toujours"), eins für die Koketterie ("L'Animal En Blue Jeans"), eins für den Song Contest ("Viva")! Bizarrer Nachtrag: Eigenen Angaben zufolge sprach Mary Roos anfangs kein Wort Französisch und sang die Texte von phonetischen Tafeln ab. Respekt! (Bureau B/Hoanzl)

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Mary Roos

Coverfoto: Bureau B

Wave Machines: "Wave If You're Really There"
Where's my punk spirit when I need it? fragen sich selbstironisch die Liverpooler Wave Machines auf dem einzigen gitarrenlastigen Stück ihres Debütalbums, und auch der Song fällt sehr gemächlich aus und wartet mit einer Tuba auf. Statt Punk wird hier das geboten, was musikhistorisch danach kam: Stylisher Pop, mit all den bekannten und heute eifrig wiederentdeckten Vorbildern, die man nicht mehr zu nennen braucht. Je mehr Fläche den Synthesizern gewährt wird, desto mehr mag man sich auch an Empire of the Sun erinnert fühlen (um statt der 80er-Jahre-Originale auch mal einen zeitlich näheren Bezugspunkt zu nennen) - ohne allerdings gleichermaßen breiig zu werden. In seinen besten Momenten federt das Quartett die Keyboards ausreichend mit Gitarren ab, und dann perlt "Wave If You're Really There" munter dahin - Anspieltipps: "I Go I Go I Go" (hier das Video) und "The Line". Nichts, das nachhaltigen Eindruck hinterlassen wird, aber ein sympathisches Bekenntnis zum Losertum: So rolling out my best white flags, I'll find new ways to take my pride. My body's in a body bag, I'm still alive. (Neapolitan Recordings)

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Wave Machines

Coverfoto: Neapolitan Recordings