Wien - Gynäkologie und Geburtenhilfe ist ein männerdominiertes Spezialgebiet in der Medizin. In diesem Bereich fällt der Mangel an Ärztinnen allerdings besonders auf, weil Geburt und Fortpflanzung sehr stark mit dem weiblichen Körper verbunden sind und Patientinnen oft den Wunsch äußern, von einer Frau behandelt zu werden. In einem Bericht von Karin Schuchter und Martha Krumpf-Ströher im medizinischen Fachblatt ÖKZ geht hervor, dass sich laut jüngsten Patientinnen-Umfragen 53 Prozent aller Frauen lieber von einer Gynäkologin behandeln lassen als von ihrem männlichen Pendant, lediglich 10 Prozent bevorzugen einen Mann als behandelten Arzt. Immerhin 37 Prozent äußerten keine Geschlechterpräferenz.

Jene Frauen, die eine Ärztin bevorzugen, können laut ÖKZ eine Reihe von Gründen nennen, warum dies so ist: Viele meinen, dass Ärztinnen sensitiver, empathischer und verständnisvoller sind. Hinzukommt die Scheu mancher Frauen, ihre Genitalien einem fremden Mann zu exponieren.

Aus der männlich geprägten Praxis in der Gynäkologie ergeben sich des weiteren Nachteile für den Heilungserfolg und letztlich auch für die Forschung: Die zwischen Männern und Frauen im privaten Bereich existenten Probleme bei der Besprechung von sexuellen Problemen setzt sich auch in der Praxis und bei öffentlichen Diskussionen fort: Gynäkologen zeigen immer noch eine große Scheu, ihre Patientinnen zum Thema Sexualität zu befragen. Daraus resultiert zwangsläufig ein Wissensdefizit über die Gefühle und Wünsche der Patientinnen, dem die Frauen, ebenfalls aus einer Genderrolle heraus, nicht aktiv entgegentreten. Durch die Männerdominanz im Bereich Gynäkologie wird das "physiologische" Sexualverhalten der Frau also auf männlich-verständlichen Grundlagen aufgebaut.

Zahlreiche Annahmen potenter Männer, wie z.B. der Mythos über den "reifen" vaginalen Orgasmus (Siegmund Freud) oder die Totsagung der weiblichen Sexualität nach der Menopause prägen noch heute die Selbstwahrnehmung von Frauen und die Einstellung der behandelnden Ärzte. Diese Diskriminierungen und Herabsetzungen beim Umgang mit weiblichen Empfindungen beim Sexualakt kann nicht unwesentliche Auswirkungen auf die Behandlung haben, wenn zum Beispiel bei Senkungsoperationen im Bereich des Beckenbodens ästhetische Anforderungen (des meist männlichen Operateurs) als Operationsindikation angegeben werden und nicht etwa die Erhaltung des schmerzfreien Sexualverkehrs der Patientin.

Auch die Diskussion um die Episotomie (Dammschnitt) während der Geburt stößt noch immer auf männliches Unverständnis, da die Auswirkungen auf den weiblichen Beckenboden erst viele Jahre später zu Tage treten.

Psychosomatische Beschwerden

Ein weiteres Beispiel für die Notwendigkeit eines ausgewogenen Geschlechterverhältnis in der Gynäkologie ist die fehlende Sensibilisierung für psychosomatische Leiden, denen traditionell eingestellte Gynäkologen meist medikamentös begegnen. Es ist bekannt, dass Frauen zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr die meisten Medikamente verschrieben bekommen. Bezeichnenderweise hat die selbe Gruppe auch die höchste Missbrauchsrate an Medikamenten.

Nicht von ungefähr betrifft dieses Phänomen vor allem verheiratete Frauen, was die Ursachenforschung als Konsequenz der Belastungen als alleinige Sozialleistungsträgerin der Familie erklärt. Traditionell eingestellte Mediziner erkennen eine solche Lebenssituation selten als "belastend" und behandeln die daraus entstehenden psychosomatischen Beschwerden medikamentös, was aufgrund der oft psychisch schwierigen Situation der Patientin zu Missbrauch führen kann. (freu)