Wien - Klaus Becher gehört "nicht zu denjenigen, die sagen, dass UNO, Nato und EU zerstört worden sind". Der Experte für europäische Sicherheit beim Londoner Institute for Strategic Studies (IISS) vertritt im Gespräch mit dem Standard die Ansicht, dass durch die Irakkrise "nicht so viel unwiederbringlich zerschlagen worden ist, wie es am Anfang aussah". Denn die beteiligten Länder seien weiter aufeinander angewiesen. "Das gilt für die Europäer noch mehr als für die Amerikaner." Man müsse jetzt darüber nachdenken, wie die verschiedenen Institutionen optimal genutzt werden könnten und welche Zusammenarbeit mit den USA überhaupt gewollt werde. Es reiche nicht zu sagen, "wir wollen alles multilateral machen. Das muss konkret gestaltet werden", sagte Becher an die Adresse der Europäer.

Eine gemeinsame EU-Außen- und -Verteidi^gungspolitik sei die logische Konsequenz. Aber: "Großbritannien muss dabei sein, wenn es um Verteidigung geht. Denn ohne Großbritannien wären die Fähigkeiten begrenzt, sodass das Ganze irrelevant wäre." Dies hätten deutsche Politiker im Unterschied zu französischen schon erkannt.

Für den in London lebenden Deutschen ist "Großbritannien der Schlüssel zu den anderen EU-Staaten", die deutsch-französische Initiativen zumeist als Affront betrachteten. Die EU-Beitrittsstaaten, die sehr stark auf die Bindung zu Amerika Wert legten, seien dann eher zur Kooperation bereit.

Die neutralen oder "nicht paktgebundenen Länder" wie Österreich müssten sich über ihre Verteidigungspolitik klar werden. Es gehe darum, Handlungsfähigkeit für eine europäischen Perspektive bei der Krisenbeherrschung und -vermeidung zu schaffen, so Becher. "Es geht um die Unterstützung dieses Werkzeugkastens europäischer Außenpolitik durch eine militärische Komponente. Wie man im Balkankonflikt gelernt hat, ist das eine Notwendigkeit, um ernst genommen zu werden."

Auf die Frage, ob dies als Konsequenz heiße, dass die Europäer dann ihre Verteidigungsausgaben drastisch erhöhen müssten, antwortete Becher: "Nicht unbedingt, wenn es auch im österreichischen Fall schon fast nicht mehr weiter runter geht." Durch den Wegfall unnötiger Verdoppelungen könnten in den EU-Staaten Ressourcen gezielter eingesetzt und eine Multiplikatorenwirkung erreicht werden.(DER STANDARD, Printausgabe, 4.4.2003)