London - Im Irak wird es nach Einschätzung des Royal Institute of International Affairs (RIIA) auch nach Kriegsende in den kommenden fünf Jahren keinen Boom bei der Ölförderung geben.

Vor allem große internationale Ölkonzerne würden sich zurückhalten, bis die politische Lage im Irak wieder vollkommen stabil sei, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht des Instituts. Außerdem werde der Irak eher eine nur langsam steigende Förderung in Kauf nehmen, als ausländischen Investoren die Tür zu weit zu öffnen. Das Land verfügt nach Saudi-Arabien über die weltweit zweitgrößten Ölreserven.

Erschließung dauert Jahre

"Auch wenn der Irak auf großen Ölreserven sitzt, wird es noch Jahre dauern, bis sie erschlossen sind", heißt es in dem Bericht. Große Ölkonzerne dürften nach Einschätzung des RIIA abwarten, bis eine neue, legitime Regierung im Irak etabliert sei, bevor sie große Investitionen in noch nicht erschlossene Ölfelder riskieren würden. "Es ist wahrscheinlich, dass es mehr als fünf Jahre dauern kann, bis eine neue Regierung tatsächlich etabliert ist."

Die Studie prognostiziert zudem, dass das Wachstum der irakischen Ölproduktion auch nach einem Sturz von Präsident Saddam Hussein beschränkt bleiben wird. In fünf Jahren werde der Irak weniger als eine Million Barrel pro Tag über die Menge von 2,8 Mio. Barrel vor dem Krieg hinaus fördern. Ein Barrel entspricht 159 Litern.

Ölkonzerne nervös

Die Ölkonzerne seien hinsichtlich langfristiger Investitionen in den ersten Jahren nach der Regierung Saddam Husseins nervös. Sie hätten Angst, Mio. von Dollar zu verlieren, falls eine von den USA installierte Regierung im Irak scheitere, hieß es. "Stattdessen werden sie versuchen, über Kurzzeit-Engagements und Service-Verträge ihren Fuß in die Tür zu bekommen", sagte Valerie Marcel, die Hauptautorin der Studie. Dies könnte eine Expansion der Fördermenge auf 3,5 Mio. Barrel pro Tag innerhalb von fünf Jahren ermöglichen.

Das RIIA erwartet, dass die US-Konzerne ExxonMobil, Chevron Texaco und ConocoPhillips mit der britisch-niederländischen Shell-Gruppe, der britischen BP und der französischen TotalFinaElf um die großen Verträge konkurrieren werden, falls die irakische Ölindustrie privatisiert werden sollte.

Nationalismus als Hindernis

Allerdings werde auch der Nationalismus der Iraker das Engagement ausländischer Konzerne bei der Erschließung der Ölreserven verzögern, heißt es in der Studie weiter. "Es ist wahrscheinlich, dass der Irak seinen Öl-Boom eher verzögern wird, als dass er seine Türen für ausländische Investoren zu weit öffnen wird", urteilte das RIIA.

In der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) gibt es Befürchtungen, dass frühe und hohe Investitionen in die irakische Ölindustrie den internationalen Ölmarkt mit einem Überangebot fluten und die Preise drücken könnte. Dies könnte die Opec-Strategie gefährden, mit einer Steuerung der Fördermengen einen Ölpreis um 25 Dollar pro Barrel sicher zu stellen.

Zu einem solchen Überangebot an Öl wird es aber nach Einschätzung von RIIA nicht kommen. Die sechs Mio. Barrel, die der Irak nach Einschätzung des Instituts theoretisch fördern könne, würden erst erreichbar sein, wenn das Land tatsächlich unabhängig und willens sei, ausländischen Konzernen stabile Bedingungen zu garatieren. Eine Übergangsregierung werde damit große Schwierigkeiten haben. Von einer neuen Regierung im Irak werde aber unter anderem auch erwartet, dass sie bestehende Verträge respektiere.(APA/Reuters)