Der frühere Ministrant Franz Adrian Wenzl kann mit den heftigen Reaktionen gegenüber seiner Band Kreisky gut leben: "Das gehört dazu."

Zur Person:
Franz Adrian Wenzl, geboren 1976 in Steyr, ist Autor ("Ich rechne noch in Schilling", Czernin-Verlag), Sänger des Quartetts Kreisky und vermengt als singender Satiriker Austro-Fred die Musik von Queen mit Austro-Pop-Hits.

Foto: STANDARD/ Robert Newald

Mit Franz Adrian Wenzl sprach Karl Fluch.

Standard: Sie haben mit der Band Kreisky ein sehr erfolgreiches Jahr hinter sich gebracht. Einen Amadeus gewonnen, euphorische Besprechungen Ihres zweiten Albums "Meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld" überall, sogar im deutschen Feuilleton. Wie wirkt sich das auf Ihre Band aus?

Wenzl: Wir sind hochzufrieden. Wir machen in verschiedenen Konstellationen seit 15 Jahren Musik, fast zehn davon eher unbemerkt. Die Öffentlichkeit, die wir jetzt bekommen, ist ein Wahnsinn! Wir kommen ja aus einer verspäteten Home-Recording-Szene, einem Dilettantentum, das sich immer wieder verwandelt hat. Dass jetzt nicht mehr nur Menschen, die unsere Freunde sind, zu unseren Konzerten kommen, sondern auch Scharen von Fremden, das ist schon sehr angenehm.

Standard: Was bringt eine Huldigung in der FAZ?

Wenzl: Das war eher singulär. Das Album ist in einigen deutschen Magazinen zwar gut besprochen worden, aber wir waren nicht auf Tour. Schon wegen gewisser Wellness-Gedanken geht man ungern zwei Wochen lang auf eigene Kosten und möglicherweise ohne Publikum auf Tour. Erst jetzt sehen wir, dass sich da Dinge bewegen. Der Rock Palast hat angefragt, wir waren in verschiedensten Jahrescharts - ohne Label und Vertrieb in Deutschland, und ohne dass wir uns besonders bemüht hätten.

Standard: Am 1. Jänner wiegt sich die ganze Welt zum Neujahrskonzert. Stichwort Musiknation Österreich. Was bedeutet das für eine kleine Independent-Band?

Wenzl: Für den Austro-Fred ist das eine sehr dankbare Sache, ich bastle da gerade an einem Buch zum Thema. Kreisky ist das ziemlich egal. Wir haben uns nie Gedanken über den Nachteil des Musikstandorts gemacht. Den ist man eh gewöhnt.

Standard: Wie schädlich ist es hierzulande, aus Berufung Musiker zu sein?

Wenzl: Wir hatten nie das Fernziel Rockstar. Dass wir über unsere kurz gesteckten Ziele so weit hinausgekommen sind, ist ohnehin unglaublich. Eine Massen-Band wollen wir auch nicht werden. Uns ist es wichtiger, etwas Relevantes zu machen. Unser Wunsch für eine goldene Kreisky-Zukunft wäre, dass wir in einem größeren Raum als Österreich Clubs mit bis zu 300 Leuten bespielen. Prag oder Budapest sind ja schnell erreicht. Das ist also eher die Zotter- als die Milka-Philosophie. Wir sind eine Musikmanufaktur, keine Industrie. Wir wollen auch dieselbe Platte nicht noch einmal machen. Es muss was Frisches sein. Strukturen, in denen man immer dasselbe machen muss, sind nicht unser Ding.

Standard: Kreisky ist schon vom Namen her ein zutiefst österreichisches Statement. Die Reaktionen auf die Band sind das auch: Neid und Missgunst. Ist diese Ablehnung der schönste Zuspruch?

Wenzl: Schon, ja. Man wundert sich zwar, weil man nicht davon ausgeht, dass das den Leuten so im Hals steckenbleibt. Aber wenn ich an meine Lieblingsbands denke, fallen mir viele Leute ein, denen die überhaupt nicht taugen. Das gehört dazu.

Standard: Sven Regener von der Berliner Band Element Of Crime hat gesagt, der österreichische Kulturexport Nummer eins sei das Österreichbeschimpfen. Fühlen Sie sich da betroffen?

Wenzl: Vom Gefühl her gar nicht. Aber es wird davon ausgegangen, dass wir das machen. Das ist nicht beabsichtigt. Uns geht es einfach um die Conditio humana. Das Menschsein, die ganzen schiefen Gefühle, die man da kennt. Neid ist mein Lieblingsgefühl. Ob das typisch österreichisch ist, weiß ich nicht. Es interessiert mich auch nicht. Wenn's so wahrgenommen wird, dann ist es schon okay. Dass all das, was man österreichisch reingefressen hat wieder österreichisch rauskommt, ist ja auch irgendwie logisch. Damit grenzen wir uns auch ab. Deutschsprachiger Pop verströmt ja gleich einmal melancholische Gefühle. Das interessiert uns gar nicht. Es muss schon ein bisserl wehtun.

Standard: Als Austro-Fred bewältigen Sie Austro-Pop auf satirische Weise, während Kreisky die Antithese zur Wehleidigkeit des Genres ist. Schlagen da zwei Herzen für dieselbe Sache in Ihrer Brust?

Wenzl: Ja, das würde ich so sehen. Aber das beißt sich nicht. Es gibt ja auch Filmregisseure, die Komödien und Tragödien machen.

Standard: Was wäre da jetzt die Komödie, was die Tragödie?

Wenzl: Das kann man nicht so teilen. Jede Komödie speist sich aus dem Scheitern. Tendenziell ist natürlich Kreisky die ernstere Sache, aber ich betreibe beide Dinge mit derselben Ernsthaftigkeit.

Standard: Apropos Austro-Pop: Christina Stürmer hat einmal über ihre Motivation gesagt: "Man will ja bekannt sein." Was wollen Kreisky?

Wenzl: Auch bekannt sein! Aber wir machen nicht jeden Blödsinn mit. Als Austro-Fred muss man das schon ein wenig machen. In Einkaufszentren spielen. Aber gleichzeitig sind das auch die größten Abenteuer: In der Pyramide Vösendorf vor lauter hendlfressenden, vollkommen desinteressierten Leuten zu spielen - das ist letztlich spannender, als immer wieder durch alle bekannten Indie-Clubs zu tingeln.

Standard: Kreisky arbeiten sich sehr leidenschaftlich an den Umständen ab: Wie lange kann man das tun, ohne sich zu wiederholen?

Wenzl: Wir haben bemerkt, dass sich unsere Themen mit der Zeit wandeln. Ich glaube, dass auf der nächsten Platte das Thema Frust sehr wichtig wird. Altersgemäß betrachtet.

Standard: Also ohne die dem Alter gerne unterstellte Milde: Kreisky ist schon eine sehr zornige Band.

Wenzl: Schon, aber ich würde jetzt nicht Geld darauf verwetten, dass die fünfte Kreisky-Platte noch vor Zorn bebt. Die kann auch sehr resigniert sein.

Standard: Aber noch ist Kreisky eine sehr dringliche, eine Frontal-Band: Was ist Ihr Antrieb?

Wenzl: Meistens ist es ja Feigheit, ich bin ja eigentlich sehr harmoniesüchtig.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.12.2009/1.1.2010)