Es ist das Jahresthema 2010 am Hernstein-Institut. Und, sagt Hernstein-Chefin Katharina Fischer-Ledenice, man wolle damit auch mehr Kontur zeigen. Das Thema der Selbsterneuerungskräfte respektive deren Mobilisierung sei, so ist sie überzeugt, im neuen Jahr für viele Unternehmen, Gruppen und Personen - auf diese drei Dimensionen werde das Thema auch heruntergebrochen - von zentraler Bedeutung.

In wirtschaftlich turbulenten Zeiten, sagt Fischer-Ledenice, sei die Idee "eines starken Mannes auf der Brücke" , wenngleich auch notwendig, wie sie betont, sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Es geht im Rahmen einer Selbsterneuerung auf Unternehmensebene, so Fischer-Ledenice weiter, um die "Weisheit der vielen" .

Anders als sich Inputs "von außen" hereinzuholen, laute hier das Plädoyer: "Befragen Sie Ihre eigenen Leute und Kunden, und lassen Sie sich auch ein Stück weit irritieren" , so Fischer-Ledenice. Es gehe darum, Impulse für eine mögliche Veränderung prüfen zu lernen, Unbekanntes oder außerhalb seines Bezugsrahmen Liegendes nicht gleich abzublocken. Im Grunde, sagt Fischer-Ledenice, sind die Lösungen für die Selbsterneuerung eines Unternehmens alle da. Man müsse sich dessen bewusst werden und dann auch "richtig" drauf schauen.

Kapazität nicht beschränken

"Ich denke" , sagt Fischer-Ledenice, "dass sich viele Unternehmen dieser Selbsterneuerungskräfte, die in ihnen stecken, nicht wirklich bewusst sind. Die meisten glauben, dass das Management alles regeln müsse" , sagt sie. Damit fokussieren sie diese Kapazitäten aber auf einige wenige Köpfe. Das Topmanagement müsse die Grundpfeiler für das Neue stecken, für die Generierung der dafür notwendigen Ideen aber sei die Kraft der eigenen Leute notwendig, so die Hernstein-Chefin.

Diese Irritation auch aushalten zu können sehe sie als zentralen Aspekt einer Management-Professionalisierung. Und zitiert Edgar H. Schein, emeritierter Professor für Organisationspsychologie und Management am Massachusetts Institute of Technology (MIT), der sinngemäß sagte, dass ein Unternehmen nur das entwickeln könne, was der oberste Mann oder die oberste Frau zu denken in der Lage sei. Wer schnell abblockt, werde nicht viel ausrichten, sagt sie.

Das Nichtdenkbare denken zu können und die dafür notwendige innere Flexibilität von Managern werde weiter an Bedeutung gewinnen. Nur über Reflexionsfähigkeit könne auch Irritation erfahren und in der Folge Grenzen überschritten werden, um auch neugierig nach außen blicken zu können. "Das ist ein Lernprozess" , sagt Fischer-Ledenice, den es anzuerkennen gelte, wenn man ernsthaftes Interesse an einer Selbsterneuerung habe.

Doppelter Spannungsbogen

Neben den "ganz klassischen Change-Prozessen" wäre es sinnvoll, parallel dazu zu innovieren, etwas Neues hereinzubringen, sagt Fischer-Ledenice. Ein doppelter Spannungsbogen also - und zwei Prozesse, die schwierig miteinander zu vereinen sind, weiß sie. "Es bringt aber etwas - und es lohnt sich" , ist Fischer-Ledenice überzeugt.

Auf der Personenebene gelte es demnach, jene Managertugenden und -qualitäten zutage zu fördern, die zur Selbsterneuerung gebraucht werden. Auf der Ebene der Gruppen wiederum die erhöhte Wahrnehmungsfähigkeit zu erarbeiten und zu kanalisieren. Und in den Bereich der Unternehmensebene werde der Weg über das Feld der Management-Professionalität führen. (Heidi Aichinger, DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.1.2010)