Wien/Pecs - 2010 ist sie als Europäische Kulturhauptstadt eine "Grenzenlose Stadt" - und mit diesem Slogan meint Pecs vor allem seine lange Tradition im Miteinander der Kulturen. Etwa 200 Kilometer von Budapest entfernt, im "Eck" zwischen Donau und Drau, an der Grenze zu Kroatien erstreckt sich die südungarische Stadt am Fuße des Mecsek-Gebirges. Rund 170.000 Einwohner hat die Stadt, die wegen ihrer markanten religiösen Bauten zugleich den Namen Fünfkirchen trägt. Geheimnisvolle römische Grabkammern, türkische Moscheen, ein schlankes Minarett und schmale Gassen prägen das Antlitz und die Geschichte Pecs'.

Die ersten Spuren städtischen Lebens führen 2.000 Jahre zurück in die Römerzeit, wo die Siedlung unter dem Namen Sophianae bekannt war und über 400 Jahre zum römischen Reich gehörte. König Stephan I. gründete 1009 einen Bischofssitz und ließ eine Kathedrale erbauen. Im Zuge der Völkerwanderung kam das Ende für das römische Pannonien, die Stadt Sophianae wurde zerstört. Die römischen Häuser und Villen dienten den Barbaren jahrhundertelang als Winterquartier. Später hieß der Ort Quinque Ecclesiae - was Fünf Kirchen bedeutet. Die Osmanen nannten die Stadt Pecavi, woraus wahrscheinlich der heutige Name entstand.

Pecs ist die fünftgrößte Stadt Ungarns. In ihren Randbezirken reihen sich Plattenbauten aneinander, dazwischen finden sich Einkaufsmeilen und Fastfood-Ketten. Doch das historische Zentrum von Pecs wurde vor den modernen Zweckbauten geschützt. So weht die alte Pecser Stimmung durch das verschlungene Geflecht von Häusern und Gassen. Unter dem Sankt-Stephansplatz erstrecken sich Grabkammern, Ende des 18. Jahrhunderts waren Forscher auf die reich verzierte Totenstadt gestoßen. Die außergewöhnlichste Hinterlassenschaft der Römer ist heute Grund für den Sonderstatus von Pecs als UNESCO-Weltkulturerbe. Dabei sind die frühchristlichen Grabkammern in ihrer zweistöckigen Bauweise einzigartig in Europa und weisen intakte Wandmalereien von außergewöhnlicher Schönheit auf.

Mit seinen markanten vier Ecktürmen gilt der Dom als eines der bedeutendsten mittelalterlichen Sakralbauwerke Ungarns. Von hier führt der Weg in die Kaplanstraße, auch Museumsmeile genannt. Hier reihen sich Häuser aneinander, die Geschichte, Tradition und Kultur der Stadt präsentieren. Wie das Csontvary- und das Victor Vasarely-Museum. Im Haus Nr. 2 residiert Zsolnay mit Exponaten des weltbekannten Porzellans. Im Jahre 1853 gegründet, avancierte die Pecser Fabrik bis zur Jahrhundertwende zur größten Manufaktur der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Der Grand Prix auf der Weltausstellung 1878 in Paris brachte der Zsolnay-Manufaktur den Weltruhm. Überall in der Stadt sind mit Zsolnayer Keramik verzierte Jugendstilfassaden zu finden, das Viertel rund um die ehemalige Manufaktur soll im Kulturhauptstadtjahr rundum erneuert werden.

Das bunte Stadtbild von Pecs mit seinem Reichtum an Baudenkmälern ist ein Spiegel der Geschichte und der Völker, die sie hierher brachte. Mit dem Beginn der Türkenherrschaft im Jahre 1543 erhielt die belebte Handelsstadt ein orientalisches Gepräge, die Türken richteten sich in der Stadt ein, bauten 17 Moscheen, keine andere Stadt in Ungarn ist so reich an türkischen Monumenten. Das wohl berühmteste Denkmal ist die Moschee des Pascha Gasi Khasim auf dem Szechenyi Platz, dem zentralen Platz der Stadt, die um Mitte des 16. Jahrhunderts gebaute wurde. Sofort nach der Vertreibung der Türken im Jahre 1686 wurde das Gebäude von den Christen übernommen, seitdem ist es eine römisch-katholische Kirche. Auf dem Dach: Halbmond und Kreuz.

Bedeutend ist Pecs innerhalb Ungarns heute auch als Universitätsstadt - 35.000 Studenten studieren hier, an der größten und ältesten Universität Ungarns, die 1367 durch Ludwig dem Großen von Anjou gegründet wurde - sowie als Ausflugsziel wegen ihrer reizvollen Umgebung. Die Gegend rund um die Hauptstadt des Komitats Branau wird auch die "ungarische Toskana" genannt. Das mediterrane Klima sorgt dafür, dass selbst Feigen- und Granatäpfel gedeihen. Auf den Weinbergen im Hügelland nahe Pecs reifen edle Trauben, für Tropen wie jene weit bekannte von der Weinstraße Siklos-Villany. (APA)