Fruchtbar: "Maria lactans" von Lucas Cranach

Foto: Kapuziner-Konvent

Wien - Im Stall saugen Kröten den Kühen die Milch aus, ihre getrockneten Füße helfen - umgehängt - Kindern beim Zahnen. Dass Glaube und Aberglaube, christlicher Ritus und magische Bräuche nahe beieinander liegen, zeigt sich einmal mehr an der Kröte. Dass das warzige Tierchen mit dem Bösen im Bunde steht, darüber herrschte jahrhundertelang kein Zweifel. Dass die Geschöpfe auch an Gebärmutterleiden Schuld tragen, dieses "Wissen" hielt sich bis ins 19. Jahrhundert: Unterleibsschmerzen hießen beim Volk "Biss der Kröte".

Ein kleiner Exkurs in den Volksglauben, um zu verstehen, warum die Ausstellung "Maria Lactans" im Dommuseum Modeln zum Gießen wächserner Kröten präsentiert: Daraus fertigte man Votivkröten, Opfergaben, die von den "Betrübten" vor dem Gnadenbild Mariens, insbesondere dem der nährenden Gottesmutter - "Maria lactans" -, geopfert wurden. Votivgaben gab es aber auch in Form von Brüsten, wenn es sich um Frauen mit Stillproblemen handelte, die die "allerheiligste Kindbetherin ..." mit den "allerkeuschesten Brüsten" und der "allersüßesten himmlischen Milch" im Gebet (17. Jh.) anriefen.

Die Schau geht über eine Ikonographie der milchspendenden Maria hinaus und präsentiert das Thema im kulturhistorischen Kontext. Nicht zuletzt, weil Kurator Franz Groiß viele Exponate aus der Sammlung des Wiener Kinderarztes Hans Czermak (1913-1989) zeigt. Czermak bemühte sich in den 1980er-Jahren darum, das Stillen wieder populär zu machen.

Interessanter scheint da die kleine Bronze (1.-3. Jh.), die die Göttin Isis beim Stillen des Horusknaben zeigt. Der Isis-Kult, der im römischen Reich starke Verbreitung fand, steht wahrscheinlich auch in enger Verbindung mit der Marienverehrung, die mit ihrem beim Konzil von Ephesos 431 zuerkannten Status der Gottesgebärerin (Theotokos) einsetzte.

Von Andachtsbildchen aus dem 19. Jahrhundert über wackelige Reisealtärchen (um 1780) bis zu einem Triptychon der "Milchspendenden" aus dem griechisch-orthodoxen Bereich (1788) reicht die Auswahl, die sich stimmig in die Museumsräume fügt.

Durchaus witzig ist die Variation des Motivs: Beim frühesten christlichen Beispiel (16. Jh.) aus der Wiener Jesuitenkirche lugt eine winzige Brust fast auf Schulterhöhe aus dem Gewand; üppiger bestückt ist da die Figur aus Purkersdorf (18. Jh.), was daran erinnert, das einige barocke Brunnenanlagen das Wasser durch den Busen der Madonna leiteten.

Gar nichts zu sehen ist auf einigen Beispielen des 19. Jahrhunderts: Für das Moralempfinden war die Erotik der Brust mit der Unbeflecktheit der Jungfrau wohl unvereinbar. Edel die beiden Darstellungen aus der Cranach-Werkstätte (erste Hälfte 16. Jh.). Ein sehr modernes, aber barockes Mutterbild hängt gleich daneben: Theodor van Thuldens Madonna wendet sich nicht dem Kind, sondern einem Buch zu.

Weiter geht's mit Weltlichem: von Kupferstichen mit nährenden Bäuerinnen (16. Jh.) hin zu modernen Blättern. Besonders schön ist Albrecht Schultheiss' Darstellung einer Anekdote: Der Kupferstich (1870) zeigt Maria Theresia, die das Kind einer Bettlerin stillt. Als die Hofdamen ihr vom unerhörten Gerücht erzählten, sagte die Kaiserin angeblich: "Das Volk lasse man ruhig bei seinem Glauben, es ist kein schlechter!" (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25./26./27.12.2009)