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Geld und Zeit für die Stadtverschönerung:In Jenin wird eine gigantische Wassermelone aufgestellt. Die Stadt ist bekannt für ihren Melonenanbau.

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David Dahoud, der Braumeister. Sein Unternehmen Taybeh-Bier expandiert, der Export nach Israel und Europa ist aber nur schwer möglich.

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Kurz vor Weihnachten herrscht auch in Bethlehem Aufbruchstimmung

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David Dahoud ist es bierernst. Sogar der Nahostgesandte Tony Blair weiß von seinem Alkoholproblem. Dahoud betreibt mit seinen Geschwistern die einzige Brauerei in Palästina, mitten im verschlafenen Nest Taybeh, dem letzten fast ausschließlich von Christen bewohnten Ort im Westjordanland. Eine kleine Fabrikhalle, eine Abfüllanlage: Taybeh-Bier ist ein unspektakuläres Familienunternehmen. Aber das Bier nach Israel zu exportieren, ist eine logistische Meisterleistung.

Palästinensische Lkw holen die Ware ab, schaffen sie zu einem Grenzübergang nicht unweit von Hebron, wo das Bier durch eine Röntgenschleuse muss. Nach dem Sicherheitscheck geht es auf israelischen Lkw weiter, wer ein palästinensisches Kennzeichen hat, muss im Westjordanland bleiben.

"Das ganze dauert drei Stunden und kostet enorm viel Geld" , sagt Dahoud. Es ginge schneller, der nächste Grenzübergang liegt keine 30 Minuten von Taybeh entfernt. Nur haben die dort kein geeignetes Röntgengerät. Da konnte bisher selbst Tony Blair wenig ausrichten.

Wachstum trotz Krise

Die von dem Christen Dahoud betriebene Brauerei ist typisch für das Westjordanland, für ein Leben zwischen Aufbruch und Besatzung. Das nach dem Frieden von Oslo gegründete Unternehmen expandierte rasch, ehe die zweite Intifada (2000 bis 2005) Taybeh-Bier an den Rand des Ruins trieb. Seither geht es aufwärts, heute arbeiten wieder zwölf Leute in der Brauerei, fast so wie zu besten Zeiten. 2009 ging es im Westjordanland trotz der Krise aufwärts. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert ein Wachstum von sieben Prozent. Zum ersten Mal seit Jahren steigt das palästinensische Pro-Kopf-Einkommen. Von einer funktionierenden Wirtschaft könne freilich noch keine Rede sein, sagen Experten der Uno. Denn einen großen Teil des Aufschwungs verdankt das Westjordanland der internationalen Hilfe, die nach dem Gazakrieg üppiger geflossen ist.

1,7 Milliarden Dollar waren es 2008, eine Milliarde Dollar gab es in den ersten neun Monaten dieses Jahres. Das von außen stimulierte Wachstum könnte sich als nicht "nachhaltig" erweisen, warnt bereits die Weltbank. Dennoch: der Aufschwung ist spürbar, auch in Bethlehem.

Das 30.000-Seelen-Städtchen ist immer noch eher verschlafen, aber die Schaufenster locken jetzt vor Weihnachten nicht nur mit den typischen Devotionalien aus Olivenholz und Perlmutt, sondern auch mit schnittigem Sport-Outfit, raffinierten Handys oder blitzenden Elektrogitarren. "Wir haben immer noch die israelische Besetzung, aber es stimmt, wirtschaftlich gesehen gibt es einen positiven Trend" , konstatiert Alex Awad, der als Pastor des Bibel-College in Bethlehem die Lage seiner Schäfchen gut kennt.

Ein Symbol für den bescheidenen neuen Wohlstand, die verbesserte Lebensqualität und die allgemeine Normalisierung ist die Cinemathek, die jetzt ausgerechnet im früheren "Terror-Zentrum" Jenin entsteht, wo in den Intifada-Jahren radikale Milizen die Straßen beherrschten und wo es seit 22 Jahren kein Kino gibt.

Weniger Straßensperren

Subventionen kamen vom palästinensischen Kulturministerium, das deutsche Außenministerium hat 170.000 Euro zugeschossen, und im April 2010 will das "Project Cinema Jenin" mit einem internationalen Filmfestival eröffnen.

Zum Aufschwung beigetragen hat laut internationaler Einschätzung auch, dass die Israelis in letzter Zeit viel getan haben, um die Mobilität im Westjordanland zu verbessern. So wurde im November in Anwesenheit Blairs die Öffnung einer Passage von Nordisrael in Richtung Jenin groß zelebriert.

Seit 2007 sollen rund 250 Straßen, die blockiert waren, wieder geöffnet worden sein. Immer wieder melden die Israelis die Auflösung von Straßensperren. Doch die Palästinenser klagen, dass es immer noch Hunderte völlig gesperrte Straßen und Dutzende Checkpoints gebe, und Spenderländer drängen Israel zu einem noch rascheren Abbau der Behinderungen für Handel, damit das Vertrauen von Investoren gewonnen werden kann. Und die größte Barriere, der Sperrwall, lässt sich ohnehin nicht so einfach wegschaffen.

Die neue Stabilität ist aber nicht zuletzt auch dem neuen Geist in der palästinensischen Polizei zu verdanken. "Es war eine politische Entscheidung der Palästinensischen Behörde, und die Sicherheitskräfte haben eine enorme Anstrengung unternommen" , sagt General Suleiman Omran, der zwei Jahre lang als Kommandeur im Raum Jenin war und jetzt für Bethlehem verantwortlich ist.

Durch energisches Vorgehen bei der Bekämpfung bewaffneter Zellen und bei der Durchsetzung der Verkehrsregeln hat sich die Exekutive von Präsident Mahmud Abbas Respekt verschafft. Besonders nützlich findet der General das Training, das seine Leute in Jordanien mit amerikanischen und jordanischen Experten absolviert haben. Ein Hamas-Putsch sei ausgeschlossen: "Was in Gaza passiert ist, kann sich im Westjordanland nicht wiederholen."

Der Bierbrauer David Dahoud hat mit seinem Unternehmen inzwischen den Plafond erreicht. Ohne den Export nach Israel und Europa, sei weiterer Wachstum nicht möglich. Alle palästinensischen Waren müssen über Israel, und das gestaltet sich eben schwierig. Mag er Tony Blair auch auf seiner Seite haben. (Ben Segenreich, András Szigetvari, DER STANDARD, Printausgabe 23.12.2009)