Sonntag - Alba, 9 Uhr
Im Vincafe beschleicht mich die Angst. Wir haben eine Nachtfahrt hinter uns und wollen uns stärken. Wir, das sind Herr Fidler, Herr Hlavicka und ich, haben ein umfangreiches Wirten- und Winzerprogramm vor uns. Während ich an meinem Cappuccino nippe, fällt mein Blick auf den Osteria-Führer, der hier neben vielen anderen Gastro-Guides im Lokal liegt. Ich schlage nach unter "Belvedere Langhe", stoße auch prompt auf unser erstes Ziel, die Trattoria del Peso.

Foto: Fidler

Sogar für mich Italienisch-Laien ist zu dekodieren, was uns dort erwartet - sechs, sieben Vorspeisen, Primo, Secondo. Dabei bin ich dafür nicht gerüstet. Während Herr Fidler sich in diversen Food-Camps ideal auf unseren jährlichen Piemont-Ausflug vorbereiten konnte, habe ich, vorwiegend arbeitsbedingt, nicht einmal annähernd normale Essgewohnheiten einhalten können - geschweige denn meinen Magen an die bevorstehenden Herausforderungen gewöhnen. Während wir das Vincafe in Alba verlassen, werfe ich einen beiläufigen Blick auf die Käsetheke. Die würde so manchem Haubenlokal in Österreich gut zu Gesicht stehen.

Foto: Schell

Carrù, 12 Uhr
Herr Hlavicka kauft viel Fleisch. Dabei ist das Fest des fetten Ochsen (Fiera del Bue Grasso) hier in Carrù erst im Dezember. Harald Fidler regt an, nächstes Jahr im Dezember anzureisen. Nona.

Foto: Fidler

Belvedere Langhe, nach 16 Uhr
Uff. Was vom Lämmchen übrig blieb. Die erste Etappe ist mit Anstand und Würde genommen, in der wunderbaren Trattoria del Peso ging nichts zurück in die Küche. Die Fonduta kam mir geradezu leicht vor, wenn ich mir die Erinnerung an andere Lokale wachrufe, wo wir diese deftige Käsesauce schon hatten. Der Bauch spannt allerdings trotzdem. In Sachen Stil und Küche werden Erinnerungen an das wunderbare „Da Gemma" in Roddino wach.

Foto: Fidler

Im Nebel , 16.30
Aus der Nicht-Sicht taucht ein Fahrzeug auf, und jetzt wissen wir auch gleich, was die Herrschaften in den Sicherheitswesten machen, die hier bewaffnet neben ihren Fiats an jeder zweiten Kurve stehen: Panda, gefüllt mit Wildschwein. Kein schönes Bild. Und auf dem Teller sind die Viecher leider oft ziemlich trocken hier.

Foto: Fidler

Briaglia, kurz vor 20 Uhr
Ich bin buchstäblich fassungslos. Dort, wo normalerweise mein Bauch ist, ist eine unförmige Kugel. An Essen ist eigentlich nicht zu denken. Daher - nur Antipasti und Primi zum Abendessen in der Trattoria Marsupino, und vorher einen Magenbitter. Siehe da: auch Bernhard Hlavicka und Harald Fidler haben spätestens bei den Hauptspeisen sichtlich zu kämpfen. Dafür haben wir ausreichend Unterlage, um uns ernsthaften Weinen (ein 95er Barolo Brunate von Marcarini sowie ein 99er von Elio Altare) zu widmen.

Foto: Hilberg

Briaglia, nach Mitternacht
Andere Menschen möchten momentan gar nicht an Essen denken. Harald Fidler füllt unterdessen die dritte Seite seines Notizbuches mit Lokaltipps, die ihm Frau Marsupino gibt. Nein, Harald, wir haben keine Zeit mehr, um noch einen Abstecher an die ligurische Küste einzuschieben.

Foto: Fidler

Montag - Briaglia, 9 Uhr
Nach einer schweren Nacht steht der erste Winzerbesuch an. Wir sind eher verschlafen, die Fahrt wird laut Navigationssystem länger dauern als ursprünglich angenommen. Dadurch reduziert sich mein Frühstück auf ein bisschen Kuchen und einen Kaffee. Mehr geht eh nicht.

Foto: Fidler

Barbaresco, 12 Uhr
Gerade noch vor der Mittagspause haben wir bei den Produttori di Barbaresco eingekauft. Gegen einen kleinen Snack im Antica Torre ist eigentlich nichts einzuwenden. Cotechino mit ordentlich Fonduta (yeah!), danach Agnolotti. Die Figur hält. Rohling Fidler isst natürlich auch hier Carne Cruda.

Foto: Fidler

Irgendwo in der Langhe, nach Sonnenuntergang
"Nein, die Straße ist nur im Winter gesperrt, und dann auch nur für LKW". Na gut, wenn's so ist, fahren wir halt weiter. Viele, viele, viele Abbiegungen später stehen wir vor dem, was sicher irgendwann mal wieder eine Brücke wird. Cessole müsste da unten irgendwo sein. Wenn es nicht eh schon nebelig wäre, würden wir bald aufgrund der einbrechenden Dunkelheit nichts mehr sehen. Allmählich kriege ich Hunger.

Foto: Fidler

Cessole, 20 Uhr
Doch noch geschafft. Unserem jährlichen Besuch im Ristorante Madonna delle Neive habe ich mit Vorfreude entgegengesehen. Und tatsächlich - Carne cruda, Karden-Torte (im Bild das Ausgangsprodukt, die Karde) mit Fonduta stellen ebenso wenig ein Problem dar wie... die wunderbaren Primi - hier müssen es Agnolotti sein, obwohl Herrn Fidlers Tajarin mit Pilzen auch nicht übel sind.

Foto: Fidler

... die wunderbaren Primi - hier müssen es Agnolotti sein, obwohl Herrn Fidlers Tajarin mit Pilzen auch nicht übel sind. Lediglich bei den Secondi will sich keine rechte Begeisterung einstellen, aber die haben es hier traditionell schwer gegen all das, was vorher geboten wird. Dessert: Nusstorte - geht eigentlich immer. Und die Grappa-Auswahl auf unserem Tisch hilft ja auch. Fazit: Keine allzu ernsthaften Engpässe, schlafe allerdings nicht allzu gut.

Foto: Fidler

Dienstag - Cessole, nach 9 Uhr
Beim Frühstück in Madonna della Neive eine kleine Enttäuschung: die wunderbare Torta di Nocciole gibt es nicht zum Frühstück. Also quasi hungrig zum ersten Winzer.

Foto: Fidler

Bei Nizza Monferrato, 16 Uhr
Was uns als kleiner Lunch bei einem lokalen Weinmacher avisiert war, wird zum ernsthaften Problem. Erstens kann keiner von uns bei den wunderbaren Wurstwaren, Carne Cruda, Prosciutti und Co. Nein sagen - vor allem die reife Salami ist unwiderstehlich. Die Weinmacher doppeln auch noch auf: Tajarin, die mit Trüffeln vom eigenen Grundstück überhobelt werden. Mein Blick auf die Uhr wird immer unruhiger, denn nicht nur der nächste Winzertermin rückt immer näher, auch das Abendessen ist nicht mehr allzu fern. Das getrüffelte Spiegelei lehnen wir daher mit Bedauern ab.

Foto: Fidler

La Morra, nach 21 Uhr
Osteria Vignaiolo, auch ein Klassiker auf unserer Tour. Erwartungsgemäß sind Vorspeisen und Pasta gerade noch zu schaffen. Lediglich die Gnocchi in Alpeggio-Sauce erweisen sich als schwerer Fehler im wörtlichen Sinn.

Foto: Fidler

Bei den Secondi schließlich wirkt Harald Fidler fast erleichtert, dass sein Hase nicht nur bis zur Unkenntlichkeit geschmort wurde, sondern definitiv nicht im Pfeffer, sondern im Salz lag. Bei mir lautet die Devise "Der Grappa wird's schon richten", so dass ich auch noch das Dessert zwinge. Der von Herrn Fidler aufgenötigte Spaziergang nach Hause zu Fuß geht fast durchgehend bergauf, dauert eine knappe Stunde, sorgt aber für eine gute Nachtruhe.

Foto: Fidler

Mittwoch - La Morra, 9:30 Uhr
Harald Fidler läuft zum Bäcker und holt ein paar "Puffi", nein, das ist kleines Weißgebäck. Als kleine Grundlage unumgänglich, schließlich haben wir gleich den ersten Winzer vor uns, und Beppe Rinaldi ist nicht gerade für seine Frühstücksweine bekannt.

Foto: Schell

Barolo, 12 Uhr
Im "La Cantinetta" sind wir die ersten Gäste. Kleines Programm, Vorspeise, ein Nudelgericht, eine Flasche Barolo, nona. Diesmal tappt Bernhard Hlavicka in die Käsefalle und wählt die Gnocchi mit Castelmagno. Ernsthafte Hauptspeisen oder gar ein Dessert lassen wir natürlich aus, der Abend droht schon mit ernsten Vorgaben. Daher im Anschluss, vor dem nächsten Winzertermin, ein bisschen Auslauf bei der Brunate-Kapelle zwischen La Morra und Barolo.

Foto: Fidler

Cherasco, 20 Uhr
Nur drei Antipasti - pah, Kinderkram. Fonduta mit Ei ist allerdings eine hervorragende Sache. Als Primo nehme ich Farfalle mit Kaninchen, bei meiner Hauptspeise, ganz fabelhaften Trippa in umido, schnaufe ich schon ein wenig. Aber ohne Nachtisch gehe ich heute nicht.

Foto: Fidler

Donnerstag - La Morra, kurz vor 10
Keine Ahnung, ob das Auto das aushält - es muss sich fühlen wie ich am ersten Abend. Mit ein bisschen Wein im Gepäck geht es Richtung Heimat. Letzte italienische Speise - eine plattgemachtes Panino in einer Raststation bei Brescia. Und warum sagt das Navi hier nicht "Bitte bei nächster Gelegenheit wenden"?

Im neuen Jahr geht der Fidler ins kulinarische Detail zwischen La Morra und Mailand. Bleiben Sie dran!

Foto: Fidler