Für einen Außenminister vom Kaliber und Geschick Ahmed Davutoglus waren die Worte, die er am Montag in Brüssel fand, außergewöhnlich undiplomatisch. Aber weil auf einen groben Klotz mitunter ein grober Keil gehört, hat der türkische Außenamtschef mit seiner kaum verholenen Schelte für die EU durchaus einen Nerv getroffen. Zeigt er damit doch auf den Krampf, den die Union seit Jahr und Tag im Umgang mit dem Beitrittswerber aus Ankara hat.

Während die Serben ihr Beitrittsansuchen eben erst gestellt haben, verhandeln die Türken seit dem 3. Oktober 2005 ihren EU-Vollbeitritt. Nicht erst seit diesem Datum wurden erstaunliche Reformfortschritte in der Türkei erzielt. Dass Europa dennoch immer wieder so tut, als würde es ohnehin nur um eine privilegierte Partnerschaft für Ankara gehen, lässt Davutoglus Reaktion gut nachvollziehen. Und zwar ungeachtet des Umstandes, ob jemand einen Türkeibeitritt nun befürwortet oder nicht. Und ungeachtet dessen, dass letzten Endes auch Ankara aus guten Gründen (Stichwort Souveränitätsverlust) einen Rückzieher machen könnte.

Ein besonderer Spezialist in diesem Fall ist Österreich. Statt die öffentliche Meinung vom strategischen Interesse Österreichs in der Türkei zu überzeugen, hängen die Politiker jeder Couleur lieber ihr Fähnlein in den Wind ablehnender Meinungsumfragen. Gleichzeitig humpeln Österreichs Unternehmen auf der politischen Krücke einer "Schwarzmeerstrategie" in Richtung des neuen Wachstumsmarktes. Angesichts solch schreiender Doppelmoral hätte Herr Davutoglu durchaus noch unfreundlicher sein können. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 22.12.2009)