Genetische Spurensuche in Afrika: Sarah Tishkoff beim Einsammeln von Speichelproben.

Foto: Sarah Tishkoff and the University of Pennsylvania

Philadelphia - Der moderne Mensch und seine Vorfahren stammen aus Afrika. Das weiß die Wissenschaft schon seit langem. Noch nicht so lange ist bekannt, von wo in Afrika der Homo sapiens aufgebrochen ist, um die Welt zu erobern. Ein internationales Genetikerteam um Sarah Tishkoff von der University of Pennsylvania glaubt, diesen Ausgangspunkt mittels Genetik errechnet zu haben: Er liegt an der Grenze von Namibia und Angola auf 12,5° Ost und 17,5° Süd.

Das zumindest behauptete das 25-köpfige Team am 30. April in der Fachzeitschrift "Science" - nach Auswertung der DNA von 3000 Personen aus 121 afrikanischen, vier afroamerikanischen und 60 nicht-afrikanischen Gruppen. Außerdem ermittelten die Forscher im Rahmen ihrer zehnjährigen Megastudie, dass es wohl 14 afrikanische "Urgruppen" gab, die sich ständig vermischten.

Gen-Information im Vergleich

Nun legt Tishkoff gemeinsam mit Kollegen eine weitere Auswertung ihres umfangreichen Datenmaterials vor. Für ihre neue Studie im Fachblatt PNAS haben die Forscher die genetische Information von 365 Afroamerikanern, 203 Westafrikanern und 400 Europäern aus 42 Ländern genauer analysiert - um unter anderem der Fragen nachzugehen, woher die heutigen Afroamerikaner stammen.

Zwar weiß man natürlich, dass rund eine halbe Million Menschen zwischen 1619 und 1808 in Westafrika gefangen und versklavt wurden. Die DNA der 365 Afroamerikaner, die an der Studie teilnahmen, zeigte indes eine hohe genetische Vielfalt und nicht nur westafrikanische Wurzeln.

Tatsächlich wiesen einige Afroamerikaner nur mehr ein Prozent westafrikanisches Erbe in ihrem Genom auf, während andere noch bis zu 99 Prozent der 300.000 analysierten genetischen Marker mit den heutigen Bewohnern Westafrikas gemeinsam hatten.

Im Hinblick auf das X-Chromosom wiederum zeigte sich, dass es bei Afroamerikanern fast ausschließlich aus Afrika stammt, was sich leicht erklären lässt: Frauen mit afrikanischen Vorfahren hatten in den vergangenen Jahrhunderten oft Kinder mit Männern, die Nachfahren von Europäern waren.

Zusammengenommen tragen die untersuchten Afroamerikaner im Durchschnitt 18,5 Prozent genetisches Erbe "aus Europa" in sich, freilich "mit besonders starken Schwankungen", wie Tishkoff betont. Das wiederum sei eine der für die Praxis relevanten Erkenntnisse der Studie, so die Genetikerin: Bei einer Abschätzung genetischer Risikofaktoren bzw. Personalisierung medizinischer Behandlungen müsse man sich künftig bewusst sein, dass es erhebliche genetische Variationen gibt.

Zumal beim europäischen Erbe. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 22. 12. 2009)