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Erleichterte Demokraten im US-Senat: Max Baucus, der demokratische Mehrheitsführer Harry Reid, Chris Dodd und Tom Harkin nach Abschluss der langwierigen Verhandlungen.

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Der demokratische Mehrheitsführer Harry Reid beschwerte sich über republikaische Blockaden

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Seit dem Wochenende hat Obama die erforderliche Mehrheit dafür.

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Draußen tobt ein Schneesturm, drinnen im Senat wählt Ben Nelson salomonische Worte, um ein Einlenken zu signalisieren. "Wandel ist niemals leicht, aber Wandel ist das, was nötig ist in Amerika." Es ist Samstagvormittag, im Parlament zu Washington feiern erschöpfte Unterhändler mit rotgeränderten Augen den Durchbruch beim zähen Ringen um die Gesundheitsreform. Die letzte Hürde scheint genommen.

Unter den Senatoren der Demokratischen Partei war Nelson der letzte, der sich noch quergelegt hatte. Ein Zentrist aus Nebraska, den George W. Bush vor Jahren zu den Republikanern locken wollte, mit dem Angebot, ihn zum Agrarminister zu machen. Als entschiedener Abtreibungsgegner bestand Nelson darauf, dass Krankenversicherungen nicht oder nur sehr restriktiv die Kosten von Schwangerschaftsabbrüchen erstatten dürfen. Nebenbei wollte er noch ein paar Milliarden für seinen Präriestaat herausschinden. Beides gelang. Kurz vor dem Ziel konnte Nelson durchsetzen, was immer er wollte.

Rechnet man den parteilosen Joe Lieberman ein, kommen die Demokraten im Senat auf 60 von 100 Mandaten. Das ist exakt die Mehrheit, die sie brauchen, um einen Filibuster der Opposition abzuwehren, das heißt, endloses Lesen aus Telefonbüchern oder verstaubten Geschäftsordnungen, das ein Votum verhindern kann. Weil die Konservativen die Reform geschlossen ablehnen, kann es sich Barack Obamas Partei nicht leisten, nur auf eine einzige der eigenen Stimmen zu verzichten.

Obama, kaum zurückgekehrt von seinem Klimatrip nach Kopenhagen, feierte das Ende des Aufstands der eigenen Hinterbänkler als großen Erfolg. "Es scheint, als hätte das amerikanische Volk erstmals die nötigen Stimmen für eine echte Reform", sagte der Präsident, die Erleichterung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Nach einer Serie von höchstens halben Erfolgen (Klima) und umstrittenen Entscheidungen (zusätzliche Soldaten nach Afghanistan) will er sein ehrgeizigstes innenpolitisches Projekt um keinen Preis scheitern sehen. Obama braucht dringend "good news", er akzeptiert eine verwässerte Gesundheitsreform.

Unterschrift im Jänner

Wie es momentan aussieht, kann er sie Anfang 2010 unterschreiben. Bis allerspätestens Heiligabend, 19 Uhr, will der Senat über die 2014 Seiten starke Novelle abstimmen. Falls es sich Nelson und Lieberman nicht noch anders überlegen, hat der 44. Präsident ein Vorhaben durchgesetzt, an dem sich sieben seiner Vorgänger die Zähne ausbissen. Das parlamentarische Procedere geht im Jänner weiter. Dann muss der Entwurf von einem Vermittlungsausschuss mit einem zweiten Papier, dem des Repräsentantenhauses, in Einklang gebracht werden. Erst dann kann es Obama zur Unterschrift vorgelegt werden. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 21.12.2009)