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Ein Zivildiener im Black Hawk: Ohne Bundesheer wäre die Republik im  Katastrophenschutz aufgeschmissen, sagt Minister Norbert Darabos.

Foto: APA/Hochmuth

Andere Truppen werden damit für Afghanistan frei. Mit Darabos sprach Christoph Prantner.

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STANDARD: Es heißt, in Bosnien würden die österreichischen Truppen aufgestockt. Ist das korrekt?

Darabos: Österreich leistet seit Jahren einen prominenten Beitrag in Bosnien. Das Eufor-Althea-Kontingent hält derzeit bei 2000 Mann. Mit unserer Kommandoübernahme haben wir qualitativ einen höheren Beitrag geleistet, sowohl was die Person des Kommandanten betrifft, als auch was Elemente wie Hubschrauber betrifft. Wir sind jetzt zusätzlich bereit, Ausfälle anderer Nationen zu kompensieren. Das heißt, dass wir 80 zusätzliche Soldaten zu den bereits 150 dort stationierten nach Bosnien verlegen werden.

STANDARD: Ist das eine Art Gegengeschäft mit Italienern und Spaniern, die dort Truppen abziehen, um sie nach Afghanistan zu verlegen?

Darabos: Es ist kein Gegengeschäft. Aber es ist schon ein politisch gewünschtes Signal: Österreich geht als neutraler Staat nicht nach Afghanistan, aber wir sind bereit, in anderen Regionen wie beispielsweise eben am Balkan zusätzliche Verantwortung zu übernehmen.

STANDARD: Österreich ist im UN-Sicherheitsrat. Das setzt doch unter einen gewissen Druck. Was spricht dagegen, ein paar Militärausbilder nach Kabul zu schicken?

Darabos: Wir haben drei Offiziere in Kabul stationiert. In heiklen Zeiten im Jahr 2002 waren wir mit rund 60 Mann präsent. Später, bei den Wahlen 2005, haben wir ebenfalls ein Kontingent dort gehabt. Afghanistan ist heute eine Aufgabe der Nato. Wir sind als österreichische Bundesregierung zwar bereit, im Polizei- oder Justizbereich zu helfen, aber es gibt klaren Konsens über die Parteiengrenzen von ÖVP und SPÖ hinweg, dass wir keine zusätzliche Soldaten nach Afghanistan schicken.

STANDARD: Warum?

Darabos: Erstens wäre das Risiko für unsere Soldatinnen und Soldaten zu hoch. Zweitens können wir auch, egal wie hoch unser Beitrag ist, hier nicht soviel Qualität einbringen, dass dies sichtbar würde. Dieser Konflikt ist mit Militär allein nicht zu lösen. Truppenaufstockungen sind kein Allheilmittel. Wir haben unseren Schwerpunkt am Westbalkan und im Nahen Osten am Golan. Es ist auch im Sinne der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung, dass wir uns in diese gefährliche Region nicht mit Soldaten begeben.

STANDARD: Soldat sein ist grundsätzlich gefährlich, egal wohin man geschickt wird. Zumindest die Amerikaner würden sich über Österreicher in Afghanistan freuen.

Darabos: Der Druck der Amerikaner ist relativ stark. Er ist teilweise ein bisschen ungehörig, Österreich ist ein souveräner Staat, der selbst entscheidet, wohin er seine Truppen entsendet. Wir haben mit einem Betrag von derzeit 1100 Soldatinnen und Soldaten in Bezug auf unsere Armee und Bevölkerung in Europa ein Level erreicht, das uns unter die Top 3 bis Top 5 bringt. Das reicht für Österreich.

STANDARD: Können Sie ‚ungehörigen US-Druck‘ etwas präzisieren?

Darabos: Das geht über die Botschaften, über Militärkanäle, vor allem auch aus Großbritannien, nicht nur USA, bis hin zum US-Botschafter, der mehrfach auch in der Öffentlichkeit die Meinung vertreten hat, Österreich müsse sich stärker in Afghanistan engagieren. Das ist zwar sein gutes Recht, aber er sollte auch akzeptieren, dass Österreich ein souveräner Staat ist. Wir werden diesem Druck nicht nachgeben.

STANDARD: Zur Sicherheitspolitik generell: Österreich ist in der EU, bei der Nato-Partnerschaft für den Frieden. Wäre es nicht an der Zeit, die Neutralitätsfrage neu zu stellen?

Darabos: Wir haben den Vertrag von Lissabon unterzeichnet und da gibt es auch ganz klare Regelungen für neutrale Länder, was Beistandsklauseln und Solidaritätsaufgaben betrifft. Es ist klar festgelegt, dass die Souveränität der Staaten in der Sicherheitspolitik bestehen bleibt. Österreich ist darüber hinaus sehr wohl bereit, einen Beitrag zur europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu leisten, wie wir auch mit unserem angedachten Engagement für die EU-Battle Groups beweisen. Ich glaube nicht, dass eine Neutralitätsdebatte jetzt angebracht ist.

STANDARD: Wenn Sie schon die Battle Groups ansprechen: Entweder man ist dabei oder man ist eben nicht dabei. Man kann nicht immer neutral sein und das irgendwie mitschleppen als eine Art Staatsfolklore, die überhaupt keinen Inhalt mehr hat.

Darabos: Das sehe ich nicht so. Wir haben unseren neutralen Status bis jetzt zu hundert Prozent auch aufrecht erhalten können. Wir sind eben auch bereit, bei sogenannten Krisenreaktionstruppen tätig zu werden, wenn es etwa darum geht, Evakuierungsmaßnahmen für europäische Staatsbürger mitzutragen. Ich gebe schon zu, das das kein einfacher Weg für Österreich ist, aber Österreichs Selbstverständnis - und da mag ich konservativ klingen - beruht auf der Neutralität. Ich halte sie nicht für ausgehöhlt wie es so mancher Experte behauptet, sondern ich halte sie für die Grundlage des Wiedererstehens Österreichs als eigenständiger Staat überhaupt. Diese Debatte leichtfertig zu führen, würde ich als verfehlt einstufen.

STANDARD: Aber jetzt ist Österreich in der EU und befindet sich in einer globalisierten Gesellschaft. Da ticken die politischen Uhren anders. Man kann keinen sicherheitspolitischen Diskurs führen, der sich im wesentlichen darauf beschränkt, dass Präsenzdiener durchs burgenländische Unterholz stolpern.

Darabos: Das sollte man auch nicht. Assistenzeinsätze sind aus meiner Sicht wichtig. Ganz besonders dann, wenn es darum geht, bei Naturkatastrophen zu helfen. Ohne das Österreichische Bundesheer wäre es um den Katastrophenschutz für die Menschen in Österreich relativ schlecht bestellt. Darüber hinaus lehne ich es ab, Auslandseinsätze mit Inlandseinsätzen aufzurechnen. Ich möchte Ihrer Frage nicht ausweichen, aber die Zukunftsfähigkeit des österreichischen Bundesheeres hängt vor allem auch davon ab, wie stark und kompetent wir im Ausland auftreten können. Aber wir haben uns, und da fahren wir aus meiner Sicht relativ gut, darauf verständigt, dass wir unsere Einsätze immer nur auf Basis eines UNO-Mandates beschließen. Dazu sind wir bereit, beispielsweise in der EDA, der Europaen Defense Agency, unseren Beitrag zu leisten oder die ESVP mit Leben zu erfüllen, indem wir die Battle Groups beschicken. Aber, dass wir uns als souveräner neutraler Staat ebenso wie Schweden, Finnland, Irland verstehen, daran besteht kein Zweifel. Österreich ist auf diesem Fundament gebaut, und ich glaube, dass beides sehr wohl vereinbar ist.

STANDARD: Es gibt viele in Brüssel, die sagen, die Österreicher seien sicherheitspolitische Trittbrettfahrer, weil sie von Nato-Staaten umzingelt sind und sich nicht zu schützen brauchten. Die Republik hat ein Militärbudget von rund 0,7 Prozent des BIP. Finnland oder Schweden geben viel mehr aus.

Darabos: Wir sind kein Trittbrettfahrer. Wir haben uns beispielsweise entschlossen, die Luftraumüberwachung eigenständig durchzuführen entgegen so manchem anderen Staat der Europäischen Union, etwa Slowenien, das von Italien mitbetreut wird. Und ich erinnere daran, dass es Irland und Österreich waren, zwei neutrale Staaten, die ganz wesentlich die schwierige Tschad-Mission unterstützt haben. Man macht es sich zu leicht, wenn man ein Schwarz-Weiß-Bild malt. Faktum ist, dass wir eine große Gruppe von Nato-Staaten innerhalb der Europäischen Union haben. Wir haben aber auch eine Gruppe von Staaten, die nicht der Nato angehören, eben allianzfreie oder neutrale Staaten. Das würde ich nicht als trittbrettfahren sehen, sondern ganz im Gegenteil, wir leisten einen überproportionalen hohen Beitrag bei Auslandseinsätzen Ich sage auch ganz offen, dass ich bei den Gesprächen mit den Verteidigungsministerinnen und Verteidigungsministern der Europäischen Union hinter vorgehaltener Hand zwar, aber doch auch immer wieder höre, dass man nicht ganz glücklich ist mit einem überhasteten Transformationsprozess in ein Berufsheer. Das ist immer eine autonome Entscheidung der jeweiligen Staaten. Aber ich kann Ihnen einige Staaten sagen, die heute nicht ganz zufrieden sind mit dem System, das sie derzeit als Beitrag in die Europäische Union einbringen können. Da braucht sich Österreich weder genieren noch ein schlechtes Gewissen haben. Die Bezeichnung Trittbrettfahrer, von wen sie immer kommen mag, die möchte ich schärfstens zurückweisen.

STANDARD: Wen meinen Sie, wenn Sie die schwierige Transformation einiger Staaten ansprechen?

Darabos: Zum Beispiel Slowenien. Die sagen, ein Berufsheer sei relativ teuer. Das sind natürlich auch Zugeständnisse an die Nato. Das sei durchaus dazugesagt. Es gibt aber auch andere Staaten wie Polen, die das sehr kritisch sehen. Es ist nicht immer so einfach zu sagen, ich transformiere in ganz kurzer Zeit und glaube, dass es billiger wird. Mir sagen alle, es wird teurer mit einem Berufsheer. Die Komponente, die wir in Österreich haben - allgemeine Wehrpflicht mit einem Milizsystem und mit Kadereinheiten kombiniert - erscheint mir für einen Staat wie Österreich idealtypisch.

STANDARD: Was kostet der Grenzsicherungseinsatz, es stehen verschiedene Zahlen im Raum. Sie sagen zwölf Millionen, Nationalratsabgeordneter Pilz sagt 21 Millionen. Was stimmt?

Darabos: Ich lasse nur jene Kosten gelten, die Mehrkosten bedeuten. Das heißt, das sind zusätzliche Gelder für Rekruten, die mehr bekommen, wenn sie im Assistenzeinsatz sind. Das sind zusätzliche Gelder für Kadersoldaten, das Kosten für Transport, Verpflegung und Quartiere. Es ist ganz klar nachvollziehbar aufgrund unserer budgetären Rechnung, dass das ungefähr auf die zwölf Millionen Euro pro Jahr kommt.

STANDARD: Das Burgenland wird früher wählen. Wann wollen Sie eigentlich ins Burgenland wechseln?

Darabos: Ich fahre jeden Tag heim ins Burgenland. Politisch gehe ich aber sicher nicht ins Burgenland zurück. Und übrigens fühle ich mich politisch sehr wohl in Wien. Ministerin Schmied und ich sind mittlerweile die längstdienenden Minister der Regierung. Am 11. Jänner 2010 bin ich drei Jahre in diesem Amt und ich habe auch noch genug zu tun. Ich will die Bundesheerreform weiter vorantreiben und ich sage ganz offen, auch als einer der den Blick von außen hat, glaube ich, dass ich hier den Ausgleich schaffen kann zwischen sozialen Komponenten, die dieser Transformationsprozess beinhaltet, und der Notwendigkeit in einer geänderten geopolitischen Lage, das österreichische Bundesheer auf die Zukunftsherausforderungen vorzubereiten. Wir werden da noch die nächsten zwei, drei Jahre einiges zu tun haben, um diese Reform in ihrer Gesamtheit auf den Weg zu bringen.

STANDARD: Und dann werden Sie Landeshauptmann im Burgenland?

Darabos: Nein, das ist nicht meine Karriereplanung. Ich bin nach Wien gegangen mit dem Ziel, einige Wahlkämpfe zu gewinnen, das habe ich mit der Gusenbauer-Wahl und mit der Fischer-Wahl geschafft. Und ich bin jetzt ins Ministerium, durchaus auch angefeindet am Beginn meiner Tätigkeit, gegangen, um das Bundesheer neu auszurichten. Ich werde zum Beispiel die Null-Toleranz-Politik gegen Rechts im Bundesheer mit aller Kraft fortsetzen. Stichwort Ulrichsberg. Da ist sicher noch einiges zu tun und von diesem Weg werde ich mich auch nicht abbringen lassen. Ich schiele nicht ins Burgenland, obwohl ich gerne im Burgenland bin. Wie gesagt, jeden Abend. (Langfassung des in der STANDARD-Printausgabe vom 18.12.2009 erschienenen Interviews)