Madrid - Das spanische Parlament hat am Donnerstag mit einer knappen Mehrheit von 184 zu 158 Stimmen die Liberalisierung der spanischen Abtreibungsgesetze beschlossen. Das neue "Gesetz über Sexual- und Fortpflanzungsgesundheit", das jetzt noch vom Senat bestätigt werden muss, definiert die bisher in Spanien verbotene Abtreibung erstmals als "Recht" der Frau auf eine "frei entschiedene Mutterschaft".

Fristenlösung mit Beratungsschein

Die bisher restriktive Indikationsregelung wird durch eine Fristenlösung ersetzt. Zukünftig sind Abtreibungen demnach bis zur 14. Schwangerschaftswoche legal. Voraussetzung ist eine schriftliche Beratung in einem Gesundheitszentrum. Bis zur 22. Woche wird eine Abtreibung im Falle schwerer gesundheitlicher Risiken für die Mutter oder von Missbildungen des Fötus möglich sein. Für spätere Abtreibungen ist das Einverständnis eines ÄrztInnenkomitees erforderlich. Lässt eine Frau außerhalb dieses Rahmens abtreiben, droht ihr in Spanien allerdings keine Gefängnisstrafe mehr, sondern nur noch ein Bußgeld.

Trotz Verbots hohe Abtreibungsrate

Nach dem bisher geltenden Recht waren Abtreibungen in Spanien verboten und nur unter sehr strikten Voraussetzungen erlaubt. Dennoch hat sich die Zahl der Abtreibungen in Spanien in den vergangenen zehn Jahren auf über 110.000 mehr als verdoppelt. Gewöhnlich war es für werdende Mütter aufgrund eines medizinischen Interpretationsspielraum aber kein Problem, sich das Risiko psychischer Gesundheitsschäden bescheinigen zu lassen. So diente diese Indikation auch bei über 95 Prozent aller Abtreibungsfälle in den vergangenen Jahren als Argument für die legale Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs. Laut der neuen Abtreibungsgesetze soll nun auch das öffentliche Gesundheitssystem dazu verpflichtet werden, sich um Abtreibungswillige zu kümmern. Bisher wurde 98 Prozent aller Abtreibungen in Privatkliniken vorgenommen.

 

Minderjährige müssen nun doch Eltern verständigen

Die regierenden Sozialisten von Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero (PSOE) konnten das neue Abtreibungsgesetz mit den Stimmen der baskischen, katalanischen und galizischen Nationalisten sowie den Stimmen der Vereinten Linken (IU) und kleinerer Regionalparteien gegen die Opposition vor allem der konservativen Volkspartei (PP) durchsetzen. Eine Mehrheit für das umstrittene "Gesetz über Sexual- und Fortpflanzungsgesundheit" wurde allerdings erst möglich, als die Sozialisten in der vergangenen Woche die polemischste Neuregelung leicht verwässerten, die nicht nur zu angespannten Debatten innerhalb der Bevölkerung führte, sondern auch unter den Sozialisten selbst.

Die eigentliche Gesetzesvorlage sah vor, dass Mädchen ab 16 Jahren ohne Wissen oder Einverständnis ihrer Eltern abtreiben lassen dürfen. Um sich die notwendigen Stimmen der baskischen Nationalisten (PNV) zu sichern, einigte man sich darauf, dass Minderjährige ihre Eltern zumindest über ihre Entscheidung in Kenntnis setzen müssen. Außerdem sieht das neue Abtreibungsgesetz nach Absprache mit den baskischen Nationalisten vor, dass das medizinische Personal, welches direkt an der Durchführung der Abtreibung teilnimmt, aus Gewissensgründen die Ausführung des Schwangerschaftsabbruchs ablehnen kann. Das war zuvor nicht in der Gesetzesreform vorgesehen.

Konservative befürchten Missbrauch duchr Ausnahmeregelung

Die Vereinte Linke und die katalanischen Nationalisten kritisierten diese "Verwässerung" des Ausgangstextes, stimmten dem neuen Gesetz dennoch zu. Allerdings konnte sich die Regierungspartei damit durchsetzen, dass Minderjährige nicht ihre Erziehungsberechtigen über die geplante Abtreibung unterrichten müssen, wenn sie angeben, dass dies Drohungen oder körperliche Gewalt und Strafen seitens der Eltern zur Folge haben könnte. Mit dieser Ausnahmeregelung stehe den Jugendlichen nichts mehr im Wege, die Abtreibung als eine Art der Verhütung zu missbrauchen, kritisierte die konservative Volkspartei. 

Die Angaben, mit der Minderjährige in Zukunft problemlos eine Abtreibung erwirken können, können weder von den Ärzten kontrastiert werden noch müssen die abtreibungswilligen Minderjährigen Beweise erbringen. Die jüngste, von Abtreibungskliniken zwischen Juli und Oktober durchgeführte Umfrage unter 16 und 17-jährigen Mädchen ergab, dass rund 30 Prozent der minderjährigen Mädchen ihren Eltern nichts von der geplanten Abtreibung sagen würden. (APA)