Informationen:

Restaurant: Restaurant Tettye, liegt etwas außerhalb der Stadt am Südhang des Mecsek-Gebirges.

Foto: Tourismusbüro Pécs

Hotels:

Kikelet: Am Hang über der Stadt gelegen, bietet das Vier-Sterne-Kikelet-Hotel guten Service mit Schwimmbad und schönem Spa-Bereich. Tel.: 0036/72 51 29 00.

Palatinus: Ein Jugendstilhotel mit viel Charme und reich dekoriertem Speisesaal mitten in der Innenstadt, Zimmer aber teilweise nicht mehr auf dem neuesten Stand. Tel.: 0036/72 88 94 00

Foto: Tourismusbüro Pécs

Allgemeine Infos unter www.ungarn-tourismus.at.
Zum Kulturhauptstadtjahr siehe www.pecs2010.hu.

Grafik: DER STANDARD

Grüne Keramik auf rotem Backstein, selbst die Rauchfänge sind verziert in Pécs. Elisabeth Rippel steht im Pyrogranit-Hof der Zsolnay-Porzellanmanufaktur. Hier lernte sie ihren Mann kennen, in den Pausen bei den Brennöfen. Kalt und schwarz sieht man sie hinter zerbrochenen Fensterscheiben. Damals, als die Kohle noch glühte, arbeiteten hier um die 3000 Leute. Dann kam die Wende. Auch Elisabeth Rippel musste gehen, hatte vorher ein halbes Leben lang Schmetterlinge und Blumen für Porzellanteller gezeichnet. Jetzt trägt sie ein Hemd mit der Aufschrift "Tucker Security" und begleitet Besucher über das Gelände. Wenn sie auf ihrem Holzstuhl bei den Überwachungsmonitoren sitzt, dann hört sie die Abrissbagger. "Es schmerzt, aber es ist auch gut, den Neuanfang mitzubekommen", sagt sie.

Ein Kulturviertel soll entstehen, die Zsolnay-Porzellanmanufaktur hat sich in einen kleinen Winkel des Geländes zurückgezogen, produziert Porzellan für eine schwedische Möbelhauskette, für Touristen und arabische Millionäre. Den Prunk vergangener Zeiten kann man ahnen, wenn man über das Zsolnay-Familienanwesen geht, vorbei an schlanken Keramik-Sphinxen, Vasen und Löwen-Statuen durch einen verwilderten Garten, keine 50 Meter von den Brennöfen entfernt. Vilmos Zsolnay hatte die Manufaktur bis zum Ersten Weltkrieg zum größten Unternehmen Österreich-Ungarns aufgebaut, seine innovativen Keramiken, die irisierende Eosin-Glasur und das frostbeständige Pyrogranit waren weltweit gefragt.

Jetzt soll Kultur in die Industriegebäude einziehen. Pécs will sich interessant machen für das Kulturhauptstadtjahr 2010. Das Puppentheater der Stadt bekommt eine Spielstätte, die Kunst- und Musik-Fakultäten der Universität neue Räumlichkeiten, es sind Ateliers geplant, ein "artist in residence"-Programm, ein interaktives Ausstellungszentrum zur Industriekultur, ein Jugendstil-Café. Vielleicht wird es ein bisschen so wie die Baumwollspinnerei in Leipzig oder doch eher wie die Kulturbrauerei in Berlin. Jedenfalls will man zeigen, dass man auf die kulturelle Landkarte Europas gehört, nicht irgendwo an den Rand, jenseits von Budapest, sondern mitten drauf. Dafür hat man auch die eigene Bauhaus-Tradition wiederentdeckt und das offizielle Logo für 2010 im Bauhaus-Stil entwerfen lassen, weil Marcel Breuer und andere Bauhäusler aus Pécs stammten. Im Festjahr wird es dazu eine thematische Stadtführung geben und eine Ausstellung "Ungarn im Bauhaus". Es ist eine von rund 200 großen Veranstaltungen, die es 2010 geben wird, vom Frühlingsfestival im März bis zum Balkan-Weltmusikfestival im November.

Auf den ersten Blick erscheint Pécs wie eine verschlafene Provinzstadt an der Südgrenze Ungarns, mit aufgeräumten Straßen, Kopfsteinpflaster und historischen Fassaden. Gemütlich, fast mediterran, mit Feigen- und Mandelbäumen und friedlichen Plätzen wie dem Jókai tér, weit entfernt vom geschäftigen Treiben der Hauptstadt Budapest. Doch bleibt man etwas länger als für eine oberflächliche Kulissenbeschau, ist man überrascht, was es zu entdecken gibt. Eine lebendige Studentenszene etwa. Aus aller Welt kommen junge Leute nach Pécs, vor allem, um Medizin zu studieren, Es gibt an die 30.000 Studenten in der Stadt - bei 160.000 Einwohnern. Oder die Kulturszene: Pécs hat nicht nur ein Nationaltheater, sondern auch gleich mehrere kleine Theater und freie Theatergruppen, eine vitale Musikszene, viele bildende Künstler und Schriftsteller und ganze zehn Museen, darunter das neugestaltete Zsolnay-Museum. "Pécs ist nach Budapest die Stadt mit dem stärksten kulturellen Eigenleben in Ungarn", sagt Péter Somody. Der Maler und Kunstdozent an der Universität Pécs teilt sich ein Atelier mit anderen Künstlern am Altstadtring. "Wir importieren unsere Ideen nicht aus Budapest, sondern haben unseren eigenen Kopf." Schon zu sozialistischen Zeiten war Pécs ein Zentrum freier Künstlergruppen, weil die Zensur nicht so streng war wie etwa in Budapest. Doch bis heute gibt es nur wenige Möglichkeiten, die Werke in Pécs auch zu zeigen. Auf dem Zsolnay-Gelände soll daher auch eine Ausstellungshalle für zeitgenössische Kunst gebaut werden.

Geht man dieser Tage durch Pécs, sieht man überall Bauzäune, Baukräne, Bauarbeiter, nicht nur auf dem Zsolnay-Gelände. Bis zum Frühjahr sollen die meisten verschwunden sein und Besucher eine sanierte Stadt vorfinden, verspricht der Bürgermeister Zsolt Páva mit lauter Stimme gegen den Baustellenlärm in seinem Büro am Hauptplatz. Dann werden die öffentlichen Plätze und Parks der Stadt neu gestaltet sein, und der Staub wird sich gelegt haben, zumindest in der Altstadt. Das neue Konferenz- und Konzertzentrum und die Regionalbibliothek etwas außerhalb werden nicht rechtzeitig fertig sein, und auch das Zsolnay-Kulturviertel nur teilweise. Doch das mache nichts. "Viele Leute denken, es handelt sich um eine Olympiade, aber es ist keinesfalls so, dass schon zur Eröffnungsveranstaltung alles fertig sein muss", sagt auch Kulturdirektor Tamás Szalay im Kulturhauptstadtbüro. "Die Investitionen sind viel mehr ein wichtiger Schritt für die nächsten Jahrzehnte." Nach dem Untergang der Steinkohle- und Uran-Industrie Anfang der Neunzigerjahre will die Stadt das Kulturhauptstadtjahr nun als Chance nutzen, langfristig eine Zukunft im Tourismus zu suchen. Die Hoffnung liegt vor allem auf Besuchern aus Deutschland, Österreich, Italien und dem ehemaligen Jugoslawien. "In Graz war es auch so, dass ein paar Jahre nach dem Kulturhauptstadtjahr die Touristenzahlen zunahmen", sagt Páva.

Bei der Vermarktung setzt Pécs auch auf die attraktive Umgebung, etwa auf das Winzerdorf Villány mit seinen Weinbergen und auf das bewaldete Mecsek-Gebirge nördlich der Stadt, das bei Wanderern und auch bei Sammlern beliebt ist. Im Markt am Busbahnhof verkaufen sie im Herbst ihre Pilze, Beeren und Wildkräuter. Und man setzt auf die lange Geschichte der Stadt. Gerade erst hat Pécs eintausend Jahre als Bischofssitz gefeiert. Doch das ist noch gar nichts. In älteren Schichten finden sich Reste der römischen Stadt Sopianae, der frühchristliche Friedhof aus dieser Zeit ist sogar Weltkulturerbe. Eine unterirdische Nekropole mitten in der Stadt, in der man heute umherlaufen kann. Erhalten sind auch zwei Moscheen aus der fast 150 Jahre dauernden osmanischen Herrschaft, die am Hauptplatz dient heute als katholische Kirche - über dem Halbmond prangt ein christliches Kreuz. Auch wenn die Türken lange schon abgezogen sind, gibt es noch immer neun anerkannte ethnische Gruppen in der Stadt, die das kulturelle Leben von Pécs mitprägen, vor allem Kroaten, Serben, Roma und Ungarndeutsche.

Der Pécser Schriftsteller Robert Balogh zum Beispiel hat über seine deutschen Ahnen gleich eine Roman-Trilogie geschrieben. "Meine Großmutter wuchs in ihrem Dorf noch in einer spätmittelalterlichen deutschen Kultur auf, es gab viel Aberglaube, Hexen und so", erzählt er beim Kaffee im Kulturgarten auf der alten Stadtmauer. Damals hieß Pécs noch Fünfkirchen und lag in der Schwäbischen Türkei, die so genannt wurde, weil nach der türkischen Besatzung viele Schwaben gekommen waren. Noch heute hört man die Wildecker Herzbuben im "Radio Fünfkirchen" über Heimat singen, doch viele Ungarndeutsche sind nach dem Zweiten Weltkrieg aus Ungarn vertrieben worden. Auch Balogh spricht nur noch selten Deutsch, seine Artikel für die Kulturzeitschrift Eco etwa schreibt er auf Ungarisch. Aus dem Kreis der Eco-Redaktion entstand vor Jahren die Idee zum Kulturhauptstadtjahr. Freiwillige haben die Bewerbung auf den Weg gebracht und wurden später durch die Politik von der Planung ausgeschlossen.

Das hat bei vielen Kulturschaffenden zu Unmut geführt. Doch seit diesem Jahr gibt es zumindest ein Off-Programm, das freie Projekte bündelt, und Páva, der seit Mai im Amt ist, hat dafür im letzten Moment noch Geld bereitgestellt. Zu wenig, sagen die Kritiker, ohnehin würde für das gesamte Kulturprogramm nicht genügend Geld zur Verfügung stehen. Der Pécs-Besucher wird 2010 von diesen Streitigkeiten nicht viel mitbekommen. Er wird eine Stadt erleben, in der viel in Bewegung gekommen ist. "Natürlich können wir nicht so viel bieten wie Istanbul oder das Ruhrgebiet, wir sind eine deutlich kleinere Stadt irgendwo in Mittelosteuropa", sagt Somody, der gemeinsam mit ungarischen und deutschen Künstlern eine Ausstellung plant, die 2010 in Pécs und in Oberhausen zu sehen sein wird. "Gerade deshalb sollten wir diese einmalige Chance nutzen, um auf uns aufmerksam zu machen." (Mirco Lomoth/DER STANDARD/Rondo/18.12.2009)