Seit 57 Tagen ist das Audimax besetzt. In den letzten Wochen arbeiteten Rektorate und BesetzerInnen an gemeinsamen Lösungen. Ziel scheint es, die angestoßene Diskussion, die nicht zuletzt auch bei vielen Professoren Sympathien teilt, in den Uni-Alltag zu integrieren. Neue Räumlichkeiten, mehr direkte Gespräche, Einigung auf gemeinsame Ziele wurden die letzten Tage diskutiert. An der Uni Innsbruck verkündeten die Studierenden, dass eine Einigung mit dem Rektorat in greifbarer Nähe, die Gespräche ein „großer Erfolg" seien. In Salzburg einigten sich Protestierende und Uni-Leitung bereits in der letzten Woche.

Im Zentrum der Bewegung, dem Wiener Audimax, weisen dennoch alle Zeichen auf Sturm. Als „Audimaxismus" wurden die Proteste bezeichnet. In ihm werden die Kompetenzen gebündelt, mediale Aufmerksamkeit erregt, Vorträge gehalten, der Protest organisiert. Hier nahm die Bewegung in der Breite ihren Ursprung.  Nach Wochen der Euphorie hat sich Ernüchterung eingeschlichen. Basisdemokratische Prozesse brauchen Zeit, Studenten müssen auch studieren, arbeiten und leben. Die Frage des „Wie weiter?" müssen sich Uni-Leitung und Studierende der Uni Wien gezwungenermaßen stellen. Weihnachten steht vor der Tür, viele Studierende verlassen die Stadt.

Doch anders als Akteure anderer Universitäten agieren und reagieren die Unileitung und die Besetzer in Wien nicht besonders besonnen. Die Forderungen an das Rektorat, die derzeit von Studierendenseite diskutiert werden, sind zu breit und vom Rektorat in der Kürze der gebotenen Zeit nicht zu realisieren. Das Rektorat pocht auf Einbindung der ÖH. Statt einer Kultur des Vertrauens und der Akzeptanz, begegnet man einander mit Provokation und Misstrauen.

Viel einigt Studierende und Rektorat. Die chronische Unterfinanzierung der Universitäten, die rasche Einführung eines Bachelor-/Master-Systems mit schweren Mängeln und die schwindende Betonung auf das was Universitäten ausmacht: Forschung und Lehre -  zu gleichen Teilen.

Unter den Studierenden herrscht schon lange keine einheitliche Linie. Die chaotische Vielfalt der Ideen wirkte bei mehren tausend Protestierenden kreativ und dynamisch, in einem dichten Netz aus Arbeitsgruppen versuchte man diese zu konkretisieren, für jeden ist etwas dabei, die große gemeinsame Linie fehlt.

Von Seiten des Rektorats bewegt man sich zurück zum ersten Besetzungstag. Man ruft „Einbruch" und die Polizei und erhitzt die Gemüter so noch weiter. Es könnte der Anfang einer schärferen Gangart des Rektorats sein. Der Versuch, den alltäglichen Besetzungstrott zu beenden und einen Weihnachtsfrieden zu erkämpfen.

Die einander gegenüberstehenden Akteure an der Uni Wien sollten sich an den kleineren Unis ein Beispiel nehmen, um nicht im Affekt das zu zerschlagen, was die Studierendenproteste hervorgebracht haben: Einen konstruktiven Dialog über die Zukunft der Unis auf allen Ebenen - mit, durch und ohne Besetzung. Erst wenn das Vertrauen in diesen Dialog gestärkt ist, werden Studierende wie Uni-Leitung ohne Gesichtsverlust die Audimax-Besetzung beenden können und sicher sein, dass der Protest nicht umsonst war. (Sebastian Pumberger, derStandard.at, 16.12.2009)