Energie-Monitoring sollte durch Sensoren im Haus kein Problem mehr sein: Dann könnte jeder im Haushalt erkennen, wo Energiesparpotenziale zu finden seien.

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Ein Haus mit Hirn ist für Andreas Hochgatterer schon lange kein Hirngespinst mehr. Vielmehr erscheint es ihm ganz logisch, dass die eigenen vier Wände längst daran denken könnten, ihre Bewohner an die simpelsten Dinge zu erinnern: etwa beim Verlassen des Hauses den Herd abzuschalten oder die Eingangstür zu verschließen. Dafür braucht es nicht viel mehr als ein paar Sensoren und ein ohnehin nur mäßig intelligentes Gehirn - also einen einfachen PC.

Als gelernter Nachrichtentechniker, der auch bereits den völlig konträren Beruf des Sonderpädagogen ausgeübt hat, kam Hochgatterer vor rund zehn Jahren zum Austrian Institute of Technology. Seither beschäftigt ihn die Frage, wie Menschen im Alter autonom und dennoch sicher wohnen können, ohne die Dienste eines Seniorenheims in Anspruch nehmen zu müssen. Mit dem Projekt "NovaHome", an dem ein sechsköpfiges Forschungsteam um Hochgatterer arbeitet, ist die AIT-Abteilung Biomedical-Systems am Technopol Wiener Neustadt der Umsetzung schon recht nahe gekommen.

Das Team kooperiert dabei mit dem Unternehmen Moeller, einem Bonner Spezialisten auf dem Sektor der Gebäudeautomation. Welche Infrastruktur für eine derartige Ambient-Assisted-Living-Lösung nötig ist, weiß dieser Partner. Bloß wie man die einzelnen Sensordaten verknüpft, um Rückschlüsse auf die Verhaltensmuster der Bewohner ziehen zu können - damit muss sich das Forschungsteam nun beschäftigen. Angestrebt wird die Realisierung eines intelligenten Systems, das Abweichungen von Lebensgewohnheiten deuten kann und dann entweder Alarm auslöst oder gleich selbst entsprechende Gegenmaßnahmen setzt.

Nebenbei energieeffizient

Als kollateraler Nutzen dieses Systems zur Erkennung von gefährlichen Situationen hat sich aber auch eine Anwendungsmöglichkeit ergeben, die schon vorauseilend mögliche Kopenhagen-Ziele erfüllt: Energieeffizienz im eigenen Haushalt. Dass einmal installierte Sensoren nämlich gleichzeitig ein sinnvolles Verbraucher-Monitoring durchführen - etwa für nicht benötigte Stromquellen -, bedeutet technisch gesehen keinen Mehraufwand. Allerdings ergibt sich dadurch ein Mehrwert, der bei weitem nicht nur für die ursprüngliche Zielgruppe älterer Menschen interessant ist. So dürfte es jedenfalls auch die Jury des diesjährigen Genius Ideenwettbewerbs gesehen haben, die "NovaHome" am 9. Dezember als Gewinner unter den 60 eingereichten Projekten auswies.

Andreas Hochgatterer ist sich durchaus bewusst, dass derartige Projekte rasch mit negativ konnotierten Zuschreibungen bedacht werden. Als "Spitzelsystem" will er "NovaHome" aber schon deshalb nicht verstanden wissen, weil die gängigen Merkmale der Personenüberwachung fehlen: Kameras und Mikrofone sind völlig überflüssig, da einfache Sensoren etwa einen Türkontakt ebenso effizient und noch dazu günstiger überprüfen.

Nun mag man mit der Kritik bei der Software selbst ansetzen, die als lernendes System konzipiert ist. Für das Anlernen ist nämlich eine Datenbank erforderlich, die Verhaltensmuster der Bewohner sammelt. Allerdings werden solche Informationen die Verschwiegenheit der eigenen vier Wände niemals verlassen. Sind die Algorithmen zur Verknüpfung der Sensordaten mit den Lebensgewohnheiten erst einmal so effizient, wie Hochgatterer sich das wünscht, kann sie auch ein zu Hause genutzter PC verarbeiten.

Dass sich das eigene Haus irgendwann einmal selbst dafür "entscheidet", einem das Licht oder die Heizung abzudrehen, hält Hochgatterer nicht für realistisch: "Technologisch wäre das erst der nächste Schritt, und aus Sicht der Benutzer reicht eine Info. Wer auf einem Touchscreen über Defizite beim Energiehaushalt informiert wird, reagiert bereits viel öfter darauf."

SMS mit Einspruchsrecht

Unregelmäßigkeiten bei den Lebensgewohnheiten älterer Menschen, die auf einen Unfall hindeuten können, veranlassen das System etwa dazu, eine SMS an Verwandte oder an eine Notrufzentrale zu schicken - für den Fall, dass die Bewohner nicht Einspruch erheben. Wie dann technisch wenig Versierten die Interaktion mit dem "smarten Zuhause" gelingt, ist wieder eine andere Frage. Am sinnvollsten, glaubt Hochgatterer, geht das mithilfe des Fernsehers. Den könne jeder bedienen, und wenn einem dann ein Avatar in Form des persönlichen Nachrichtensprechers alle nötigen Informationen gibt, sei das zudem noch sympathisch.

Außergewöhnlich an der "NovaHome"-Lösung ist auch, dass bestehende Wohnungen und Häuser ohne großen Aufwand mit dem System nachgerüstet werden können. Für Hochgatterer galt dies als Grundanforderung an eine Technologie, die es Menschen im Alter ermöglichen sollte, eben die vertraute Umgebung nicht mehr verlassen zu müssen. Wird ein System nur für den "Hausgebrauch" kalkuliert, kann auf Sensoren aus dem Großhandel zurückgegriffen werden - mit rund 30 Stück à 100 Euro kommt man schon recht weit. Den Rest der Gesamtkosten macht die Software, vor allem aber die Infrastruktur zur Benachrichtigung aus.

Technisch gelöst ist das System bislang zu einem Drittel, so die Einschätzung Hochgatterers. Dass es umsetzbar ist, hatte man zuvor in einem Seniorenwohnhaus in Wien verifiziert. In fünf Wohneinheiten mit identischem Grundriss sammelte das Team völlig unterschiedliche Daten. Da war bereits ersichtlich, dass sich jede Wohnung ihre eigenen Gedanken über den Energiehaushalt und die Sicherheitsbedürfnisse ihrer Bewohner machen musste und konnte. (Sascha Aumüller, DER STANDARD, Print-ausgabe, 16.12.2009)