Christian Köberl verspricht eine "sanfte Modernisierung" des NHM. Ministerin Claudia Schmied hört die Botschaft gerne.

Foto: Matthias Cremer

Wien - In nicht wenigen Schausälen des Hauses am Ring fühlt man sich immer noch wie in einem Museum eines Museums: So manche Schilder vor den abertausenden Objekten sind mit Schreibmaschine getippt, andere gar noch mit Tusche geschrieben. Englische Beschriftungen sind Mangelware.

Dabei ist in der 15-jährigen Generaldirektion von Bernd Lötsch, die mit 31. Dezember zu Ende geht, auch nicht nichts geschehen: Nunmehr sind immerhin alle Säle beleuchtet, einige präsentieren sich sogar einigermaßen zeitgemäß - wenngleich die Neuerungen auch gut versteckt sind in nachgebauten Schaukästen des späten 19. Jahrhunderts.

Daran wird sich in den nächsten Jahren einiges ändern - aber womöglich gar nicht so viel, wie manche erhofft haben mögen: Nicht mehr und nicht weniger als eine "sanfte Modernisierung" versprach Christian Köberl am Mittwoch bei seiner Vorstellung als neuer NHM-Direktor durch die für Museen zuständige Bildungsministerin Claudia Schmied.

Mit der Bestellung des 50-jährigen Geowissenschafters hat sich Schmied nach einem etwas spät anberaumten Auswahlverfahren (der neue Job wäre eigentlich mit 1. Jänner anzutreten) für einen international renommierten Spitzenforscher entschieden, der zwar wenig Museums- aber doch auch wissenschaftliche Vermittlungserfahrung mitbringt. Der Spezialist für Meteoriten und vor allem Meteoriteneinschläge hat nicht nur zahllose Fachpublikationen in angesehenen Fachzeitschriften vorzuweisen, sondern war auch an etlichen populären Aufbereitungen seiner Forschungen beteiligt.

Als erstes Kernanliegen nannte Köberl bei seiner Vorstellung aber dennoch die Forschung am NHM: Sie soll international wie national besser sichtbar gemacht werden, zudem sollte die Forschungsinfrastruktur am Haus am Ring verbessert werden. Nachholbedarf ortete er insbesondere bei der Geräte-Ausstattung und der Entwicklung und Förderung von spezifischen Forschungsprojekten.

Anliegen Nummer zwei sei eine verstärkte Kooperation mit den Universitäten. Entsprechend will Köberl auch seine Professur zwar "auf 15 Prozent" reduzieren, aber doch weiterführen, weil damit "die Verbindung zu Lehre und Forschung gesichert ist". Auf Nachfrage des Standard bestätigte er, auch als Museumsdirektor weiterhin forschen und wissenschaftliche Projektanträge stellen zu wollen.

Im Hinblick auf die Vermittlung und die Schausäle formulierte der designierte NHM-Direktor, der sein Amt erst am 1. Juni 2010 antreten wird, als Ziel die besagte "sanfte Modernisierung", die auch deshalb sanft ausfallen muss, weil das vor 120 Jahren errichtete Gebäude unter Denkmalschutz steht. "Außerdem sollte das Naturhistorische Museum nicht mit einem Technischen Museum verwechselt werden." Konkret will Köberl gleich einmal für englische Beschriftungen sorgen, "um das Museum für den internationalen Tourismus besser zu positionieren".

Andere Pläne sind noch etwas widersprüchlich: Zum einen möchte der Direktor in spe die Schausäle der Anthropologie und der Botanik wieder dauerhaft bespielen. Zum anderen will er mit mehr Sonderausstellungen Besucher anlocken. Das Problem: Sonderausstellungen - wie die gerade laufende Darwin-Schau - sind in den Sälen der Botanik und Anthropologie untergebracht. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 17. 12. 2009)

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Impaktforscher mit PR-Gespür und Impact

Seine Forschungsobjekte sind Millionen Jahre alt, mitunter Millionen Kilometer entfernt und bestehen durchwegs aus toter Materie. Und doch ist das der Stoff, aus dem Hollywood schon den einen oder anderen Blockbuster gezimmert hat: Christian Köberl ist nämlich Impaktforscher - und zwar einer der weltweit renommiertesten.

Der 50-jährige Professor am Department für Lithosphärenforschung der Uni Wien (Lithosphäre ist der Fachbegriff für die Erdkruste) widmet sich vor allem den Auswirkungen von Meteoriteneinschlägen - nicht nur auf der Erde, sondern auch auf anderen Planeten des Sonnensystems. Und dafür werden keine Kosten, Mühen und Expeditionen gescheut, denn die interessantesten Impaktkrater sind gut über den Globus verteilt und unter kilometerdicken Schichten verborgen.

Seinen Durchbruch hatte Köberl in den 1990er-Jahren, als er im US-Bundesstaat Virginia einen riesigen unterirdischen Einschlagskrater eines Meteoriten fand, der 1,6 Kilometer Durchmesser gehabt haben muss und vor 35 Millionen Jahren auf die Erde einschlug. Aktuell wertet er mit Kollegen Bohrkerne aus dem nordostsibirischen See Elgygytgyn aus, der vor rund 3,6 Millionen Jahren durch einen Meteoriteneinschlag verursacht wurde.

Geboren wurde Köberl am 18. Februar 1959 in Wien, wo er die Höhere Lehranstalt für Chemische Industrie absolvierte. Anschließend studierte er Technische Chemie an der TU Wien, später kamen noch Astronomie und Chemie an der Uni Wien und Astronomie an der Uni Graz dazu, ehe er 1983 in Kosmochemie an der Uni Graz dissertierte.

Danach folgte so etwas wie eine akademische Bilderbuchkarriere: 1990 Habilitation in Geo- und Kosmochemie an der Uni Wien, 1996 Start-Preis, mehrere Gastprofessuren in den USA und Südafrika, ao. Professor an der Uni Wien, 2006 wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Der erhebliche wissenschaftliche "Impact" (also Einfluss) Köberls schlug sich auch darin nieder, dass 2006 ein Kleinplanet nach dem Forscher benannt wurde, der mit der aus den USA stammenden Grafikerin Dona Jalufka verheiratet ist.

Köberl gilt aber nicht nur als Spitzenforscher, sondern auch als guter Kommunikator: Er versteht es bestens, seine Forschungen für ein breites Publikum aufzubereiten und PR in eigener Sache zu betreiben - keine schlechten Voraussetzungen für einen Direktor des Naturhistorischen Museums. Ob der Impakt-Forscher in seinem neuen Job einschlagen wird, werden die nächsten fünf Jahre zeigen. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 17. 12. 2009)