Labor-Leiter Manfred Tscheligi am Simulator mit integriertem Display. Auch die Mensch-Maschine-Schnittstellen im Reinraum des Chipherstellers Infineon sollen analysiert werden.

Foto: Markus Peherstorfer
Foto: Markus Peherstorfer

Wer in fünfzehn, zwanzig Jahren Stimmen aus einem fremden Auto hört, obwohl der Fahrer nicht spricht und allein fährt, sollte sich nicht wundern. Und auf gar keinen Fall an der eigenen geistigen Verfassung zweifeln. Denn es wird vielleicht ein Mini-Roboter im Platz neben dem Lenker eingebaut sein, der in bedrohlichen Situationen "Auto kommt mit 150 von links!", "In 300 Metern sitzt eine Katze auf der Landstraße" oder auch nur "Vorsicht links" sagt.

Science-Fiction? Manfred Tscheligi, Professor für Human Computer Interaction an der Universität Salzburg, verweist auf Überlegungen japanischer Konzerne, einen Roboter wie diesen zu entwickeln. Der Hintergrund: "Viele vermeidbare Unfälle passieren, weil der Fahrer nicht in jeder Situation alle Geschehnisse auf der Straße im Auge haben kann", so Tscheligi. Ein Beifahrer könnte behilflich sein, einen Crash zu verhindern. Und wenn der gerade nicht zur Hand ist, setzt man eben den Roboter in Betrieb.

Aber so weit nach vorn muss Tscheligi gar nicht blicken, wenn er vom Auto-Cockpit der Zukunft spricht. Im kürzlich an der Uni Salzburg gegründeten Christian-Doppler-Labor Contextual Interfaces unter seiner Leitung steht ein Fahrsimulator des Unternehmens Audio Mobil. Hier wird getestet, wie das Cockpit gestaltet sein kann. Zum Beispiel mit einem Display am Lenkrad, damit der Fahrer für zusätzliche Informationen nicht zu sehr vom Geschehen auf der Fahrbahn abgelenkt wird. Welche Daten könnten hier abgerufen werden? Tscheligi nennt ein Beispiel: "Der Autofahrer könnte hier die Info erhalten, in jüngster Zeit im Stadtgebiet immer zu schnell gefahren zu sein. Wenn er nämlich die Geschwindigkeit überschreitet und dafür nicht gestraft wird, gewöhnt er sich daran."

Natürlich müssen die Informationen nicht nur durch Wort und Bild übertragen werden. "Auch ein vibrierendes Lenkrad ist vorstellbar", sagt Tscheligi zum Standard. Der aus Kärnten stammende Wissenschafter, Gründer des Usability-Forschungszentrums Cure in Wien Simmering, bremst aber allzu große Erwartungen hinsichtlich einer raschen Umsetzung. "Wir testen gerade erst, was sinnvoll ist." Das bedeutet: Bedarfserhebungen bei den Autofahrern, Konzepte erstellen und dann die idealen Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine (Interfaces) entwickeln. Die Analysen sollen nicht nur im Labor, sondern auch dort, wo die Interaktion in der Realität stattfindet, durchgeführt werden. Im Auto geht es dabei auch um die Frage, wie der Raum um die Rücksitze gestaltet werden könnte. "Die Überlegungen laufen dahin, den Fond mit neuer Unterhaltungselektronik auszustatten. Auch um mitfahrenden Kindern die Zeit zu vertreiben und nützliche Informationen zur Verfügung zu stellen."

In die Fabrik gehen

Tscheligi und sein Team von etwa 15 Wissenschaftern, darunter Dissertanten, Diplomanden und Postdocs, gehen auch in die Fabrik, konkret in jene von Chiphersteller Infineon Austria, der gemeinsam mit Audio Mobil auch Wirtschaftspartner des Doppler-Labors ist. Die Wissenschafter sehen Optimierungspotenziale in der Halbleiterfabrik durch "eine individuellere Sichtweise auf die Verhaltensweise der Operatoren". Zum Beispiel um die Frage zu klären, wann sich Personen im Produktionsablauf für welche Aktivität entscheiden und welche Unterstützung mittels Interface wo sinnvoll sein kann.

Tscheligi: "Vielleicht können Informationen über solche Schnittstellen auch zum Überdenken von Arbeitsabläufen beitragen." Eine weitere Herausforderung für die Wissenschafter: die Mitarbeiter dazu zu bringen, bei der Chipherstellung Roboter als Assistenten zu akzeptieren. "Das gelingt eher durch ein ansprechendes Design für die Roboter." Soll heißen: Der elektronische Helfer sollte kein industrielles Outfit haben und nicht wie eine graue Maschine durch den Reinraum von Infineon flitzen. "Farben können da Wunder wirken." Tscheligi: "Das Ziel ist, dass der Mensch dem Roboter vertraut und mit ihm interagiert."

Für den Chiphersteller gilt das Zero-Defect-Ziel, also möglichst keine fehlerhaften Teile zu produzieren. Infineon-Chefin Monika Kircher-Kohl erhofft sich vom Doppler-Labor "wesentliche Impulse für die Umsetzung unseres hochflexiblen Produktionssystems der Zukunft". Auch Thomas Stottan, Geschäftsführer und Gründer von Audio Mobil, hat hohe Erwartungen und wünscht sich "essenzielle Kenntnisse über diese Interfaces im Bereich Automobil. Diese zu nutzen und in neuen Technologien umzusetzen, bedeutet, dass die Fahrzeuge der Zukunft benutzerfreundlicher und sicherer zu bedienen sein werden."

Beide Unternehmen zusammen zahlen die Hälfte des Jahresbudgets von 500.000 Euro. Die andere Hälfte kommt vom Wirtschaftsministerium und von der Nationalstiftung. Contextual Interfaces ist wie alle Doppler-Labors für sieben Jahre bewilligt. (Peter Illetschko/DER STANDARD, Printausgabe, 16.12.2009)