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"Abgedreht" und "Was vertuschen Sie" steht auf den Plakaten, die das BZÖ zur letzten Parlamentssitzung 2009 mitgebracht hatte.

Foto: APA/Pfarrhofer

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Grafik: APA

Wien - In zwanzigfacher Ausführung strahlt sich Martin Bartenstein (ÖVP) plötzlich selbst entgegen - und das auch noch mit einer kasachischen Mütze auf dem Kopf: Als der Vorsitzende des Spitzel-U-Ausschusses am Freitag im Parlament zu seiner Schlussbilanz anhebt, reckt ihm jeder der zwanzig BZÖler jenes mittlerweile legendäre Foto entgegen, das den ehemaligen Wirtschaftsminister in eine Landestracht gehüllt auf Staatsbesuch in Kasachstan zeigt. Dazu prangt auf den selbstgebastelten Schautafeln der Orangen der Schriftzug "Abgedreht!" .

Damit hält die Oppositionspartei Bartenstein vor, in der Causa rund um den früheren kasachischen Botschafter in Österreich, Rakhat Alijew, befangen gewesen zu sein. Bartenstein hat allerdings schon mehrfach betont, dass es bei seinem Trip um die Lieferung von kasachischen Erdgas für die geplante Nabucco-Pipeline gegangen sei.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) setzt dem orangen Spuk jedenfalls ein jähes Ende - sie unterbricht die Sitzung und fordert das BZÖ auf, die Bartenstein-Bilder schleunigst wegzustecken.

Autogrammstunde

Als alles wieder seine Ordnung hat, startet Bartenstein sein Resümee über den gerade einmal drei Monate arbeitenden Spitzel-Ausschuss. "Das war kein Renommierstück des Parlamentarismus" , gesteht der Leiter des Gremiums da ein, und: Bei der Causa Kasachstan hätte er sich selbst die Ladung weiterer Auskunftspersonen gewünscht. In der Angelegenheit Peter Westenthaler wiederum - die Handyrufdaten des BZÖ-Mannes waren trotz dessen Immunität erfasst worden - attestiert Bartenstein der Staatsanwaltschaft "eine überschießende Vorgangsweise" , denn: Die Ankläger hätten den Abgeordneten zumindest als Zeugen befragen müssen.

Ansonsten schlägt sich der Vorsitzende auf die Seite der Koalition. So verteidigt Bartenstein den Verzicht auf Ladungen diverser (Ex-)Regierungsmitglieder: Im Gegensatz zum Eurofighter-Ausschuss "waren wir in diesem Fall nie auch nur ansatzweise bei einem Punkt, wo es um eine Weisung eines Ministers gegangen wäre. Nur weil die Opposition es will, lassen wir uns die Minister nicht vorführen" . Und überhaupt hätte sich Bartenstein im U-Ausschuss "den Verzicht auf persönliche Beleidigungen" und "etwas mehr Respekt" gegenüber Zeugen gewünscht. Spricht's, tritt vom Rednerpult ab - und signiert den Orangen einige Selbstporträts aus den Kasachstan-Tagen mit einem "Herzlichst, Martin Bartenstein" .

Die Opposition schießt sich daraufhin prompt noch einmal auf die Affäre Kasachstan ein. "Pilz, Stadler, Graf! Ich bin stolz, zu diesen Aufklärungszwergen zu gehören!" , dozierte Martin Graf (FPÖ), um sich dann dem "rot-schwarzen Spionage-Sumpf" zuzuwenden. Dazu prophezeit der Dritte Nationalratspräsident in Richtung der Ränge von SPÖ und ÖVP: "Sie werden der Aufklärung trotz des Abdrehens nicht entgehen können!"

Ewald Stadler vom BZÖ wiederum spricht von "aufklärungswürdigen Geldflüssen" . Wie Graf besteht auch Stadler darauf, die Rolle von SPÖ-Pensionistenchef Karl Blecha in der Causa Kasachstan noch näher zu beleuchten. Und dazu gleich die von Ernst Strasser, einst Innenminister, nun Delegationsleiter der Schwarzen in Brüssel. Stadler: "Sie haben beide für Kasachstan gearbeitet!"

Zettelwirtschaft

An dieser Stelle breitet sich wieder Tumult aus, diesmal auf der Besuchergalerie. Studierende, die die Bedingungen an den Unis satt haben, kreischen hinab ins Plenum "Die Demokratie setzt die Bildung des Volkes voraus!" Dazu lassen sie Flugzettel auf die Abgeordneten niederregnen, die Sicherheitsleute haben alle Hände voll zu tun.

Dann stellt auch der Grüne Peter Pilz klar, dass die "Notwehrgemeinschaft" der drei Oppositionsparteien fortgesetzt werde.

Zu guter Letzt ergehen sich die Ausschussmitglieder der Koalition noch in ein wenig Selbstlob. 121 Stunden, 2000 Seiten Protokolle, 21.000 Seiten Akten und Dokumente habe der U-Ausschuss hervorgebracht, rechnet Christine Lapp von der SPÖ vor. Und das alles "ohne Schwärzungen" , ergänzt Werner Amon von der ÖVP stolz.

Die Schlussbilanz des Vorsitzenden des Spitzel-U-Ausschusses geriet zu einem Spektakel: Die Opposition provozierte, Martin Bartenstein signierte, und ein gutes Dutzend Studierende protestierte. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.12.2009)