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Zur Person
Lawrence Gonzi (56) ist seit 2004 Premier von Malta. Der Konservative - er ist auch Finanzminister - hat sein Land in die Eurozone gebracht. 2008 wurde er im Amt bestätigt.

Foto: Reuters/Platiau

In der Flüchtlings-frage fordert er mehr Aktion von Brüssel. Von Christoph Prantner.

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STANDARD: Das ist der erste Europäische Rat mit neuem Vertrag. Wird die EU tatsächlich effizienter unter der vielkritisierten neuen Führungsstruktur?

Gonzi: 27 Länder mit großen Differenzen müssen immer einen Kompromiss finden, so funktioniert diese Union. Und das geschieht durchaus effizient. Schauen sie sich die ökonomische Krisenintervention der EU an: Da hat Brüssel sehr klug gehandelt und vorerst alle Albtraumszenarien Lügen gestraft. Die neuen Institutionen sind ein Produkt des Kompromisses und des Übergangs. Die unter diesen Umständen und zu diesem Zeitpunkt Gewählten, müssen vor allem für Stabilität sorgen und auf die kommende soziale Krise fokussieren. Wir brauchen eine Union die konzentriert bleibt, um der kommenden Krise durch die Arbeitslosigkeit zu begegnen. Meine Beurteilung ist alles in allem positiv: Die Personalwahl war eine gute, weil sie die Union durch diese Transitionsphase bringen wird.

STANDARD: Auch die der unerfahrenen Catherine Ashton zur EU-Außenministerin?

Gonzi: Wir müssen die Entwicklungen in den kommenden Wochen abwarten. Ich hoffe, dass im europäischen auswärtigen Dienst auch regionale Expertise eingeholt wird. Das Mittelmeer ist eine sehr wetterwendische Region. Wir sind zwar der kleinste EU-Staat, haben aber eine jahrhundertelange Erfahrung mit unseren Nachbarn. Uns geht es nicht darum, ob Malta von irgendwem repräsentiert wird, sondern darum, ob unsere Expertise und unsere Interessen gehört werden.

STANDARD: Sie gelten als bestinformierter EU-Regierungschef, weil Sie gleichzeitig Finanzminister sind, im Ecofin und in der Eurogruppe sitzen. Gibt es einen Handel mit Berlin über den neuen EZB-Chef?

Gonzi: Das ist schmeichelhaft. Aber der Wahrheitsgehalt von dem, was in der Politik so behauptet wird, ist manchmal sehr nahe an den Prozentzahlen der Maastrichtkriterien. Es gibt keinen Deal mit den Deutschen über die Position des kommenden EZB-Chefs.

STANDARD: Eines der Hauptprobleme Maltas ist die illegale Immigration. Tut die EU genug dagegen?

Gonzi: Europa tut zu wenig. Vor fünf Jahren war das Problem noch unter dem Radarschirm der EU. Heute ist es immerhin ein Thema auf der Agenda. Malta leidet am meisten darunter, weil wir inmitten eines Korridors für illegale Einwanderer sind. Wir haben die höchste Bevölkerungsdichte in der Union und die fünfthöchste in der Welt, die tausenden Flüchtlinge lassen unsere Insel untergehen. Ich klopfe deswegen an die Tür Europas und sage: Schöne Worte sind fein, aber zeigt mir Ergebnisse und Solidarität.

STANDARD: Italien schickt Flüchtlinge zurück.

Gonzi: Das ist eine humanitäre Tragödie. Diese Menschen sind Opfer politischer Instabilität, des Klimawandels. Wir müssen mit ihnen in einer humanen Art und Weise umgehen. Wir müssen mit Libyen eine Formel finden. Tripolis muss seine Seegrenze kontrollieren, das ist richtig. Aber für die Libyer ist es auch wichtig, was an ihrer Saharagrenze passiert. Die EU kann und muss Wege finden, um auch dort zu helfen.

STANDARD: Funktioniert die EU-Grenzsicherungsagentur Frontex?

Gonzi: Frontex könnte mehr tun. Die Situation hat sich verbessert aber die EU-Staaten müssen mehr Mittel dafür freigeben: Schiffe, Hubschrauber und dergleichen. Wir brauchen vor allem Patrouillen auf der libyschen Seite. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.12.2009)