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Verteidigungsminister Karl-Theodor Guttenberg wusste möglicherweise schon früher von zivilen Opfern bei deutschen Luftangriff in Kundus.

Foto: REUTERS/Tobias Schwarz

Berlin - Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte einem Magazinbericht zufolge schon früher als bekannt Informationen über eine große Zahl ziviler Toter durch den umstrittenen Luftangriff von Kundus. Guttenberg habe am 6. November einen streng vertraulichen Rot-Kreuz-Bericht auf den Tisch bekommen, in dem von 74 toten Zivilisten die Rede gewesen sei, berichtete "Stern.de" am Mittwoch. Dennoch habe er das Bombardement nur Stunden später bei einer Pressekonferenz als "militärisch angemessen" eingestuft.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (ICRC) komme in seinem Bericht zu dem Schluss, dass der von einem deutschen Oberst angeordnete Luftangriff "nicht im Einklang mit dem internationalen Völkerrecht" stehe. Dafür habe es zu viele tote Zivilisten gegeben, darunter acht-, zehn- und zwölfjährige Kinder. Das Rote Kreuz habe es damals auch als unwahrscheinlich erachtet, dass die Taliban die beiden gestohlenen Tanklaster zu rollenden Bomben umbauen und gegen die Bundeswehr einsetzen wollten. Die Lastwagen hätten entgegen der Fahrtrichtung zum deutschen Lager in einer Sandbank festgesteckt, als sie am 4. September bombardiert wurden. Für das Bundeswehr-Camp habe keine unmittelbare Bedrohung bestanden.

Guttenberg weist Vorwürfe zurück

Der Verteidigungsminister wies die Vorwürfe zurück. Sein Sprecher Steffen Moritz verwies am Mittwoch darauf, dass der Minister bereits bei der Pressekonferenz am 6. November auf einen Rot-Kreuz-Bericht hingewiesen hatte, in dem von zahlreichen zivilen Opfern die Rede ist. Guttenberg hatte damals auch erklärt, es gebe unterschiedliche Berichte zu den Opferzahlen. Dennoch bezeichnete der Minister die Bombardierung zweier gestohlener Tanklaster, die ein deutscher Oberst am 4. September angefordert hatte, als militärisch angemessen.

Meinungsumschwung

Guttenberg hatte seine erste Bewertung vergangene Woche korrigiert und bezeichnet den Luftangriff inzwischen nicht mehr als militärisch angemessen. Zu dieser Einschätzung habe er nicht früher kommen können, da ihm wichtige Berichte vorenthalten worden seien, argumentiert der CSU-Politiker. Die Informationen aus dem ICRC-Bericht seien in die neue Bewertung eingeflossen, zitierte "Stern.de" einen Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Wie viele Menschen bei dem Luftangriff ums Leben kamen, ist unklar. Ein Untersuchungsbericht der afghanischen Regierung sprach von 30 toten Zivilisten, ein geheimer Nato-Bericht geht von bis zu 142 Toten insgesamt aus. Mit dem Fall wird sich ein Untersuchungsausschuss befassen. Außerdem prüft die Bundesanwaltschaft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den verantwortlichen deutschen Oberst. (Reuters)