Salzburg – Was – in einem sexuellen Zusammenhang – unter "französisch" oder "griechisch" zu verstehen ist, dürfte bekannt sein. Wer aber mehr über solche "ethnonymische", also geografische Herkunft bezeichnende, Begriffe für Sexualpraktiken erfahren wollte, konnte dies am Sonntag und Montag bei einer wissenschaftlichen Tagung tun. Im Rahmen der Österreichischen Linguistiktagung in Salzburg widmete sich ein eigener Workshop mit 19 Vorträgen dem Thema "Sex & Sprache".

"Albanisch", "thailändisch", "mongolisch"

Die Romanistin Marietta Calderón von der Universität Salzburg beschäftigte sich in ihrem Beitrag unter anderem mit so exotischen Sexualpraktiken wie "albanisch", "thailändisch" oder "mongolisch". Besonders in Internetlexika, -glossaren und -foren finden sich solche Bezeichnungen, berichtet sie, wobei gerade die deutsche Sprache hier "sehr produktiv" sei.

Dabei komme es zu interessanten semantischen Phänomenen wie etwa dem, dass "russisch" drei verschiedene Sexualpraktiken meinen kann, die einander ausschließen. Andererseits gebe es auch Kombinationen, sagt Calderón: "Algierfranzösisch" etwa kombiniert Bedeutungselemente von "französisch" und "arabisch"; "à la suisse" wiederum bezeichnet eine Praktik, bei der sich "deutsch" und "französisch" abwechseln.

Porno: Fakt oder Fiktion?

Mit dem "epistemologischen Framing von Pornografie" setzte sich dagegen der Anglist Georg Marko von der Uni Graz auseinander. Er untersuchte Erotikzeitschriften und die Beschreibungstexte von Porno-DVDs darauf, ob die gezeigten sexuellen Handlungen als Fakt oder Fiktion charakterisiert werden.

Obwohl sich im Impressum meist Hinweise darauf fänden, dass es sich um fiktionale Inhalte handle, suggeriere die ansonsten verwendete Sprache etwas anderes, berichtet Marko. Begriffe wie "voyeur", "amateur", "genuine" (echt) oder "natural" (natürlich) würden genutzt, um den Anschein von Authentizität zu erwecken, ebenso wie (erfundene) Namen und Fotos von Autoren und Redakteuren in Zeitschriften.

Jungfräuliche Märkte und gute Partien

Für sexuelle Metaphorik in der Wirtschaftssprache interessierte sich die Romanistin Fiorenza Fischer von der Wirtschaftsuniversität Wien. Angesichts des rationalen Charakters wirtschaftlicher Entscheidungen wäre eigentlich "zu erwarten, dass die sprachlichen Berührungsflächen zwischen diesen beiden Bereichen eher gering sind", sagt Fischer – das Gegenteil sei aber der Fall, denn gerade in der Wirtschaftspresse seien solche Metaphern "tief verwurzelt".

So spreche man etwa von Geldanlagen "mit Sex-Appeal" oder kurz von "sexy" Investments, und auch "jungfräuliche" Märkte gelte es zu "penetrieren". Vor allem aber die Ehe-Metapher stehe – metaphorisch gesprochen – hoch im Kurs: Im Umfeld von Fusionen und Übernahmen lese man immer wieder von "Braut" und "Bräutigam", von "Hochzeit", einer "guten Partie", "Verlobung" und "Brautschau", "Mitgift", "Liebesheirat" und "Notehe". Bemerkenswert sei dabei das durchgängig extrem konservative Bild der Geschlechterrollen, sagt Fischer: Die Braut sei stets in der passiven Rolle, ausgeliefert und hilfsbedürftig, der Bräutigam dagegen aktiv und "potent".

Frauenkörper als "Gebrauchsobjekt"

Als ähnlich konservativ kann das Frauenbild auch in der populären Musik bezeichnet werden. Zwei Referate setzten sich mit der Konstruktion der Geschlechterrollen im noch jungen "Reggaetón" und in der traditionelleren "Salsa Romántica" auseinander – beide lateinamerikanischen Musikstile sind männlich dominiert, in beiden ist "der Körper der Frau letztlich ein austauschbares Gebrauchsobjekt".

Keine homosexuelle "Geheimsprache" mehr

Den Sonderwortschatz von Homosexuellen im Russischen, Deutschen und Italienischen verglichen der Greifswalder Slawist Joern-Martin Becker und der Romanist Fabio Mollica von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Resultat: Die Unterschiede würden immer geringer, der Wortschatz sei durchsetzt von "vielen Internationalismen, vor allem natürlich Anglizismen". Der heute von vielen Schwulen im Internet verwendete Wortschatz entwickle sich zusehends weg von der "Geheimsprache" der Szene im 20. Jahrhundert, werde offener und auch bei Heterosexuellen bekannter.

Noch wenig Literatur

Neben Themen wie den Diskussionen im Internet zur "Kinderpornosperre" oder dem Sexualwortschatz im Altindischen und Lateinischen wurde auch eine Untersuchung zur Sprache in Toilettengraffiti, so genannten Latrinalia, präsentiert – mehr dazu hier. Insgesamt gebe es noch erstaunlich wenig sprachwissenschaftliche Literatur zu Sexualität, sagt Calderón, die den Workshop im Namen des Verbands für angewandte Linguistik (verbal) organisiert hat.

Die verbal-Workshops widmen sich übrigens in schöner Regelmäßigkeit den großen Themen der Menschheit. Nach "Essen & Sprache" sowie "Fußball & Sprache" steht nächstes Jahr in Graz "Religion & Sprache" auf dem Programm. (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 08.12.2009)