Man kann sich jetzt schon die Szenerie in Kopenhagen nach Abschluss der Klimaschutzkonferenz vorstellen. Nach tage- und nächtelangem Ringen werden abgekämpfte, aber zufriedene Politiker Kompromisse mit allerlei Reduktionszielen vorstellen. Für jede Menge Umweltschützer wird das mehr oder weniger verbindliche Abkommen zu wenig sein, um den Weltuntergang abzuwenden. Die Dramaturgie des Gipfels hat es in sich. Politik und Medien haben Kopenhagen schlagzeilenträchtig zu dem Event des Jahrzehnts hochstilisiert. Die Bürger zweifeln kaum an der Aufrichtigkeit von Botschaften und Maßnahmen, mit denen die Erderwärmung eingebremst werden soll. Hat nicht jeder das Gefühl, dass die Wetterkapriolen zunehmen? Eben!

Die derzeitige Hysterie hat den Blick auf ökonomisch sinnvolle Maßnahmen versperrt. Ihr Prinzip müsste lauten, dass dort angesetzt wird, wo mit einem investierten Euro die höchstmögliche CO2-Reduktion erreicht wird. Das hieße beispielsweise, dass die Halbierung von Treibhausgasen in einem Stahlwerk eines Entwicklungslandes Vorrang hätte vor der Verringerung der Emissionen um ein Zwanzigstel in Europa mit dem gleichen Aufwand.

Das hieße auch, dass Fotovoltaik-Anlagen dort gebaut werden, wo sie einen hohen Wirkungsgrad aufweisen, und nicht in Österreich, wo der Strom aus dieser Quelle mehr als das Zehnfache über dem Marktpreis liegt. Ökonomische Parameter würden auch verhindern, dass Österreich zulasten der Verbraucher Millionen in unrentable Biogasanlagen steckt, nur um die Agrarlobby bei der Stange zu halten.

Am wichtigsten freilich wäre die Steuerung von Investitionen in die Effizienz, die letztlich nichts kosten, weil sie sich wegen der künftigen Energieeinsparung auch betriebswirtschaftlich rechnen. Gebäudesanierungen zählen dazu, für die es aber zu wenig Anreize gibt. Derzeit wird nämlich der Hausbesitzer für seine Investition kaum entschädigt - es profitiert der Mieter von der niedrigeren Energierechnung. Auch spritsparende Autos sind ein Thema für eine stärkere Lenkung über Steuern.

Apropos Sprit: Würde Österreich nicht bei der Mineralölsteuer dumpen, hätte das Land kaum Probleme mit dem Kioto-Protokoll. Doch durch eine Anhebung der Abgabe auf das Niveau der großen Nachbarstaaten würden weniger Ausländer bei uns tanken - ein gutes Beispiel dafür, wie nationale Egoismen auf Kosten der Umwelt gehen.

In Richtung Energieeffizienz weisen auch Überlegungen der Internationalen Energieagentur oder der Beratungsgruppe McKinsey. Sie beziffern das weltweite Einsparungspotenzial bei den Emissionen mit 40 bis 50 Prozent. Und: McKinsey dokumentiert, dass Maßnahmen zur Effizienzsteigerung von Elektrogeräten bis zur Gebäudedämmung durchwegs mehr bringen, als sie kosten, während das Verhältnis bei erneuerbaren Energien von Wind- bis zur Sonnenkraft umgekehrt ist.

Doch derartige Überlegungen spielen in Kopenhagen keine Rolle. Dort wird lieber die Apokalypse gepredigt, die sich auch weit besser vermarkten lässt. Kaum wurde nachgewiesen, dass die Temperaturen seit Ende der 90er-Jahre rückläufig sind, wird auch schon wieder das "aller Voraussicht nach" wärmste Jahrzehnt seit Beginn der Aufzeichnungen verkündet.

Kritische Töne zu den Simulationen der Temperaturentwicklung werden von der Wissenschaft schroff zurückgewiesen. Modelle, die bisher gerade einmal für mittelfristige Prognosen herangezogen wurden, sollen nun plötzlich die Klimaveränderung auf 100 Jahre voraussagen. Orakel von Delphi oder fundierte Wissenschaft: Sachlichkeit sollte langsam, aber sicher an die Stelle des CO2-Dogmas treten. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.12.2009)