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Der Europäische Gerichtshof in Strassburg hat den Fall an die große Kammer weitergeleitet - ein Indiz dafür, dass er den Fall sehr ernst nimmt.

Foto: AP/WINFRIED ROTHERMEL

Straßburg - Das strikte Abtreibungsverbot in Irland steht auf dem Prüfstand des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR). Die RichterInnen der Großen Kammer des Gerichts hörten am Mittwoch die Positionen der Regierung und der Beschwerdeführer an. 

Frage des Geldes

Geklagt hatten drei prekär lebende Frauen, die das streng gefasste irische Abtreibungsgesetz als Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens bezeichnet hatten. Sie waren zum Abbruch ihrer Schwangerschaft nach Großbritannien gereist. Diese Erfahrung nannten sie "kompliziert, sehr teuer und traumatisch".

Bei einer Frau machten gesundheitliche Probleme nach dem Eingriff eine zweite Reise erforderlich. Die Furcht, von irischen Ärzten abgewiesen zu werden, sei für sie eine starke Belastung gewesen. Eine andere Frau musste für den Eingriff in einer Privatklinik einen Kredit aufnehmen. Die Frauen nannten es auch einen Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung der Menschenrechtskonvention, weil für wohlhabende Frauen eine Reise nach Großbritannien für eine Abtreibung kein Problem sei.

Volksabstimmungen gegen Lockerung

Der irische Staatsanwaltschaft Paul Gallagher sagte, dass die IrInnen in drei Volksabstimmungen für die Beibehaltung des Abtreibungsverbots votiert hätten, und dass das ungeborene Leben durch Artikel Zwei der Menschenrechtskonvention (Recht auf Leben) geschützt sei. Der EGMR sollte auch die Position der EU berücksichtigen: die hat den IrInnen zugesichert, dass das Abtreibungsverbot der irischen Verfassung nicht durch den Vertrag von Lissabon berührt wird.

Streit um Selbstmord-Folge

In Irland ist Schwangerschaftsabbruch verboten. Seit einer Verfassungsänderung 1992 dürfen Frauen allerdings für eine Abtreibung in andere Staaten reisen. Zudem dürfen im Land Informationen über Möglichkeiten legalen Schwangerschaftsabbruchs außerhalb Irlands verbreitet werden. Schwangerschaftsabbrüche bei Gefahr für das Leben der Mutter oder bei der Gefahr, die schwangere Frau könne Selbstmord begehen, sind nach höchstrichterlichen Entscheidungen ebenfalls zulässig. Die irische Regierung scheiterte 2002 bei einer Volksabstimmung mit dem Versuch, die Selbstmordgefahr per Verfassungsänderung als Grund für einen Schwangerschaftsabbruch auszuschließen.

Gerichtshof misst Fall große Bedeutung zu

Eine sieben RichterInnen zählende Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hatte den vorliegenden Fall im Juli an die Große Kammer abgegeben, in der 17 RichterInnen vertreten sind. Der EGMR ist eine Einrichtung des Europarates, der 47 Mitgliedstaaten zählt. Dass der Fall der Großen Kammer übertragen wurde, sehen BeobachterInnen als Indiz dafür, welche Bedeutung der Gerichtshof der Entscheidung beimisst.

2007 hatten die Straßburger RichterInnen einer Polin Recht gegeben, der trotz Gefahr für ihre Gesundheit ein Schwangerschaftsabbruch untersagt worden war. Das Gericht sah in dem Abtreibungsverbot eine "Verletzung ihres Privatlebens", allerdings keine Misshandlung. 

Großes Medieninteresse

Die Anhörung am Mittwoch stieß auf ein lebhaftes Interesse der Medien. Vor dem Eingang des Straßburger Gerichtshofes hatte sich eine kleine Gruppe von AbtreibungsgegnerInnen versammelt. Eine Entscheidung über die Beschwerde wird erst in einigen Monaten erwartet. (APA)