Lillehammer - Simon Ammann hat am Sonntag den dritten Weltcup-Bewerb dieser Saison für sich entschieden, doch der neue Weltcup-Gesamtleader heißt Gregor Schlierenzauer. Während sich Ammann vor allem dank des Schanzenrekords von 146 Metern im ersten Sprung seinen neunten Weltcupsieg sicherte, landete der Samstag-Sieger aus Tirol trotz eines Sturzes bei 150,5 m im ersten Durchgang insgesamt auf Platz vier. Das reichte dem Weltcup-Titelverteidiger zur Übernahme des Gelben Trikots, 18 Punkte vor Ammann.

Der Eidgenosse fixierte letztlich durchaus verdient seinen ersten Saisonerfolg im Finale mit einem 129,5-m-Satz. 9,5 Zähler dahinter landete der Finne Harri Olli auf Platz zwei, Dritter wurde überraschend der Franzose Emmanuel Chedal (+12,1 Punkte). Chedal war zuvor überhaupt noch nie auf dem Weltcup-Podest gelandet.

Schlierenzauer war dank guter Form und viel Aufwind im ersten Durchgang im Auslauf gestürzt, glücklicherweise ohne Verletzung geblieben. Schon nachdem Ammann auf 146 m geflogen war, hatten Cheftrainer Alexander Pointner und Toni Innauer vergeblich bei der Jury Maßnahmen verlangt. Wieder einmal musste Schlierenzauer wegen seines Ausnahmetalents und nicht auf ihn abgestimmten Anlaufbedingungen an die Grenzen gehen.

"Ich bin in erster Linie froh, dass ich gesund bin. Solche Bewerbe dürfen eigentlich nicht passieren", meinte Schlierenzauer, der freilich beklagte, dass man im ersten Durchgang nach Ammann nicht abgebrochen bzw. verkürzt hatte. Denn der Schweizer flog mit 146 m drei Meter über den Schanzenrekord und es standen noch 10 weitere Springer oben.

Kritik von der ÖSV-Führung

"Man hat die eine Option nicht in Erwägung gezogen, dass man heute keinen Wettkampf macht. Es ist schade, es kommt mir vor, dass die Leute von der Jury ein bisschen getrieben sind", meinte Pointner. Nach dem Ammann-Satz hatte man zur Jury gefunkt, doch die Antwort sei gewesen, dass Schlierenzauer selbst verkürzen könne, wenn er wolle. Selbst wenn er dies aus eigenem Willen getan hätte, wäre dieses am Sonntag aus Pointners Sicht keine Lösung gewesen. "Wenn er zwei Luken weniger Anlauf wählt, passiert genau das Gleiche. Die Anlaufsituation war für den Aufwind, den er hatte, viel zu viel."

Bei derart stark drehenden Winden müsse man eben auch eine Absage des Bewerbs zulassen. "Sie schieben dann einfach die Verantwortung weiter an mich als Trainer oder eben sogar an den Springer selbst." Im Nachhinein wäre es die richtige Entscheidung gewesen, alle vier Springer herauszunehmen, so Pointner. "Man hat es ja nicht nur bei Ammann gesehen, sondern auch davor. Wenn es um die Sicherheit geht, muss man sagen, man kann es nicht steuern."

Unterstützung erhielt Pointner von seinem Landsmann Werner Schuster, der die Deutschen coacht. "Das war heute nicht okay. Für Gregor Schlierenzauer war das gefährlich. Manchmal komme ich mir wie im Zirkus vor", sagte Schuster. Auf dem Trainerturm stand Pointner bei seiner Kritik aber doch recht alleine, ließ er durchblicken. "Ich bin schon enttäuscht von den Trainerkollegen, denn im Endeffekt schaut doch jeder mehr auf sich selbst."

Auch ÖSV-Sportdirektor Toni Innauer übte Kritik an den Entscheidungen der Jury. "Ich bin erstens der Meinung, man hätte heute diesen Wettkampf wegen der instabilen Verhältnisse gar nicht durchführen sollen. Zweitens hat die Jury in ihrer Wettkampfführung versagt. Das Risiko für zu weite Sprünge war nicht abgrenzbar", betonte Innauer.

"Zum Glück ist Gregor nichts passiert. Leider hat ihm der Sturz den Sieg gekostet. Wichtig ist mir auszudrücken, dass es nicht sein kann, die Verantwortung für die Gesundheit der Athleten in die Verantwortung der einzelnen Nationen zu legen", stellte der österreichische Funktionär fest.

Kofler mit Bestweite im zweiten Durchgang

Von den ÖSV-Adlern überzeugte erneut der wieder erstarkte Andreas Kofler. Der Olympia-Zweite von 2006 und Mannschafts-Olympiasieger schaffte im zweiten Durchgang den weitesten Satz auf 133 m und katapultierte sich damit vom 23. noch auf den 6. Platz. Thomas Morgenstern (21.) und Wolfgang Loitzl (22.), die im ersten Durchgang alles andere als gute Bedingungen vorgefunden hatten, hatten mit dem Kampf ums Podest diesmal nichts zu tun.

Die ÖSV-Equipe fliegt am Montag nach Hause und wartet die Entscheidung am Mittwoch ab, ob es am 16. Dezember doch noch einen Bewerb in Harrachov gibt. Ansonsten gibt es gar eine zweiwöchige Wettkampfpause bis zur Tournee-Generalprobe in Engelberg. (APA)