Graz - Vor neun Jahren, im Jänner 2001, verpflichtete sich der Bund im Washingtoner Abkommen, "zusätzliche Unterstützung für die Restaurierung und Erhaltung" der jüdischen Friedhöfe zu leisten. Denn etliche von ihnen (darunter jener in Wien-Währing) befinden sich in einem desaströsen Zustand.

Die aufgrund der Shoa arg dezimierten Israelitischen Kultusgemeinden sind nicht in der Lage, die Friedhöfe zu pflegen - obwohl der Glaube dies für die Toten fordert. Die Landeskulturreferenten mahnten die Regierung bereits mehrfach, sich der Sache anzunehmen, zuletzt im Mai 2009. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) versprachen die Einberufung eines runden Tisches im Herbst. Aber keiner lud tatsächlich dazu ein.

Die Kulturabteilung des Landes Steiermark organisierte daher eine Expertenkonferenz, die am Donnerstag in der Grazer Synagoge stattfand. Höchst aufschlussreich waren die Ausführungen des Verfassungsjuristen Benjamin Kneihs: Es sei zwar kaum möglich, die Verpflichtung, die der Bund mit dem Abkommen einging, einzuklagen. Aber der Bund habe ohnedies die primäre Verantwortung: weil ihm die Finanzierung der Kultusgemeinden obliegt. Zudem sei er unter dem Denkmalschutzaspekt für die historischen Friedhöfe zuständig. Kneihs meinte, dass daher innerhalb des Bundes das Kulturministerium verantwortlich sei.

Doch der Bund spricht lieber von einer "Querschnittsmaterie" - und betrachtet die Sanierung der Friedhöfe (laut einer Schätzung sind 48 Millionen Euro notwendig) als heiße Kartoffel: Sowohl das Kanzleramt als auch das Kulturministerium verzichtete auf eine Teilnahme an der Konferenz. Daher musste Ferdinand Trauttmansdorff, der Leiter des Völkerrechtsbüros, die angeblich "intensiven Bemühungen" um eine Lösung verteidigen. Wie diese aussehen könne, wollte er nicht sagen. Er meinte lediglich, dass es beschämend sei, wenn die Länder (vor allem Wien) die Verantwortung abschieben: "Wir sollten nicht den Zeigefinger verwenden, sondern das Herz!"

Kulturlandesrätin Bettina Vollath (SP) entgegnete, dass sich die Steiermark sehr wohl der Verantwortung bewusst sei - und auch finanzielle Zeichen gesetzt habe. Es gebe aber eine gemeinsame Verantwortung. Sie schlug einen Bund-Länder-Vertrag, der die Lastenverteilung regelt, oder die Schaffung einer Stiftung vor. Das Netzwerk der zumeist privaten Sanierungsaktivitäten (z.B. in Klosterneuburg) soll nun ausgebaut werden.
Zudem nimmt man die Kritik von Heidemarie Uhl - die jüdischen Gräber verdränge man allerorts, weil sie "Steine des Anstoßes" seien - ernst: Der bisher unbekannte jüdische Friedhof bei Feldbach-Mühldorf soll als Gedächtnisort erhalten und markiert werden.
(Thomas Trenkler; DER STANDARD/ 5. 12. 2009)