London - Nach dem Hacker-Angriff auf ein weltweit führendes Klima-Institut in Großbritannien und der Veröffentlichung der Daten im Internet haben die Vereinten Nationen eine Untersuchung angekündigt. Der Chef des Weltklimarats (IPCC), Rajendra Pachauri, sagte am Freitag in einem BBC-Interview, diese Angelegenheit sei sehr ernst, und "wir werden uns die Einzelheiten genau anschauen." Nichts solle "unter den Teppich gekehrt werden".

Hintergrund

Hintergrund ist ein Hacker-Angriff, mit dem Tausende E-Mails und Daten des Instituts der University of East Anglia an die Öffentlichkeit gebracht worden waren. Klimawandel-Skeptiker hatten daraufhin in Internetforen von einer Verschwörung der Wissenschafter geschrieben, um das Ausmaß der Erderwärmung zu übertreiben und klärende Fakten zum Thema Klimawandel zurückzuhalten.

Die Hochschule hatte am Donnerstag eine Überprüfung der Daten angekündigt. Die Polizei hatte wegen des Daten-Diebstahls Ermittlungen gegen unbekannt eingeleitet. Außerdem war Institutsleiter Phil Jones, der den Verdacht einer Datenmanipulation als "kompletten Blödsinn" zurückgewiesen hat, am Dienstag bis zur vorbehaltlosen Klärung aller Vorwürfe zurückgetreten. Er hatte in einer E-Mail von 1999 über einen "Trick" geschrieben. Jones erläuterte der BBC, es gehe dabei nicht um irgendeine Schummelei, sondern um eine clevere Methode der Datenauswertung für ein bestimmtes Diagramm. "Es ist lächerlich nahezulegen, dass dies auf irgendetwas Unlauteres verweisen könnte."

Diskussionen

Die von Klimawandel-Skeptikern als "Climategate" bezeichnete Affäre wird heiß diskutiert: Während die einen in den gehackten E-Mails Beweise gefunden haben wollen, dass die globale Erwärmung eine Erfindung ist, wittern Klimaforscher darin den gezielten Versuch, die Klimakonferenz in Kopenhagen zu sabotieren. Kritiker werfen den Wissenschaftern etwa vor, sie hätten diskutiert, wie sich unliebsame Arbeiten aus Fachjournalen oder dem IPCC-Weltklimabericht heraushalten lassen.

Ob dies überhaupt erfolgreich möglich wäre, ist fraglich. Der Schweizer Klimaforscher Thomas Stocker, Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe Wissenschaft im IPCC, gibt zu bedenken, dass in den Autorenteams des Weltklimarates auch Klimaskeptiker vertreten seien. So habe zu seiner Gruppe für den dritten IPCC-Bericht etwa Richard Lindzen vom Massachusetts Institute of Technology gehört. "Er hat von Anfang an an dem Kapitel mitgearbeitet, für das ich als koordinierender Hauptautor zuständig war, und nachher seine Unterschrift daruntergesetzt", sagte Stocker der "Neuen Zürcher Zeitung".

Vermutung gezielter Sabotage

"Da E-Mails normalerweise privat gemeint sind, sind die Schreiber, sagen wir, etwas freier in ihrer Ausdrucksweise als in einem öffentlichen Statement", heißt es auf der Klimaforscher-Internetseite realclimate.org. Sie wird unter anderem von dem ebenfalls in diesem Zusammenhang von Skeptikern kritisierten Michael Mann von der Pennsylvania State University betrieben. Der Inhalt der gehackten E- Mails sei wenig überraschend.

Mann vermutet hinter dem Datenklau eine gezielte Sabotage-Aktion. "Es ist kein Zufall [...], dass dies in den Wochen vor dem Klimagipfel in Kopenhagen geschah", sagte Mann dem Internetdienst accuweather.com. Seine Hauptsorge sei, dass diese künstliche Kontroverse nicht die Politiker ablenke.

Der britische Umweltminister Ed Miliband nannte indessen jeden Versuch, ein neues Klimaabkommen zu sabotieren, "abgrundtief verantwortungslos". Und jede Andeutung einer Verschwörung von Wissenschaftlern, um Beweise für den Klimawandel zu fälschen, sei "absoluter und äußerster Nonsens". (APA/AP/red)