Heute wär's wohl ein PC, das Grundproblem bliebe das gleiche: "Modern Times" (1936)

 

 

Foto: Filmmuseum / Roy Export S.A.S.

Kino-Ikone in Verdichtung: der "Tramp" in City Lights" (1931)

 

 

Foto: Filmmuseum / Stadtkino

Muster für den "neuen Mann" der 70er-Jahre? Chaplin mit Jackie Coogan in "The Kid" (1921)

 

 

Foto: Filmmuseum / Roy Export S.A.S.

Erst im nachhinein als Geniestreich gewürdigt: "Monsieur Verdoux" von 1947

 

 

Foto: Filmmuseum / Roy Export S.A.S.

Hommage ans Vaudeville, Buster Keaton wirkt mit: "Limelight" (1952)

 

 

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Nur eine Vorführung bei der Retrospektive, da bloß in einer ganz raren Kopie erhalten: "A Countess From Hong Kong" (1967)

 

 

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Verzichten wir einmal auf den Begriff 'Meisterwerke.' Fragt man eher beiläufig, welcher von den Filmen Charles Chaplins als am berühmtesten gilt, als am beliebtesten, als am meistgeschätzten - dann wird die Antwort ziemlich sicher das Alter des Befragten widerspiegeln, und wann demjenigen das Chaplin-Werk vorgestellt wurde. Es ist dies ein Fall von kulturellen Moden, jeweils mit gesellschaftlichen Hintergründen.

Für das ablaufende Jahrzehnt wäre die Antwort ziemlich einfach: Es wird der "The Great Dictator" sein, es wird "Modern Times" sein. Recht klar, warum: Anlässlich des Milleniums verspürte man eben eine Neigung dazu, eine Bilanz des 20. Jahrhunderts zu ziehen, in einem großen Bogen zurückzublicken - und zu den europäischen Big Topics gehören die fatalen Ursachen und Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs wie die praktisch lückenlos durch alle Lebensbereiche greifende Industrialisierung.

Hätte man in den Siebziger Jahren gefragt, wären es wohl alle Werke gewesen, in denen Chaplin samt Melone und Spazierstöckchen als markenzeichenhaft klassischer "Tramp" durch eine verwirrende Welt stolpert. Der Kater nach der Modernisierungs-Euphorie war in den Jahren der Ölkrise groß, eine Nostalgie für die Zwanziger Jahre mehr als nur ein Modetrend, "Tramp"-Hommagen in Fotografie und Cartoon waren auffällig oft im Stadtbild präsent. Und welche speziell wären die Filme dazu gewesen?

Nostalgie und Neubewertung

"The Circus" von 1928 wäre ein Kandidat für eine 70er-Jahre-Top-Liste, auch aus dem Gefühl heraus, das dem Zirkusgewerbe das Aussterben droht - Chaplins letzter Stummfilm läuft bei der Gesamtretrospektive im Österreichischen Filmmuseum übrigens in der 1970 von ihm selbst erstellten Musikfassung. Oder der in Bild und Ton "City Lights" von 1931, der einem Unbehagen über die Anonymität von Großstädten zuspielt. Oder "The Kid" von 1921; Sentimentalisierung der Kindheit war ein großes Thema der Zeit. Und natürlich der von Chaplin selbst am meisten geliebte "The Gold Rush" von 1925 mit seiner Odyssee durch ein frostiges Alaska der Goldgräber-Ära. Kürzere Werke von Chaplin wie etwa die immer wieder erstaunliche Rollschuh-Virtuosität von "The Rink" gehörten ohnedies zum Stammrepertoire des nachmittäglichen Fernsehens.

In den 80er-Jahren gehörte das Wiederentdecken von vergessenen Geniestreichen zu einem kreativen Volkssport. Wenn dabei auch häufig der Zynismus zutrifft, dass eine Postmoderne eben Material für Zitat-Verwurstungen brauchte, so war dies bei Chaplin anders: Ein mehrschichtiger Filmautor wurde in ihm erkannt. Im Speziellen trifft dies zu auf "Monsieur Verdoux", der in seinem Premierenjahr 1947 ein kapitaler Flop war - es brauchte Zeit, bis die Klasse dieser tiefschwarzen Suspense-Komödie um einen historischen Frauenmörder und Erbschleicher geschätzt werden konnte. Die Egomanie von "Limelight" aus dem Jahr 1952 erhielt eine späte Würdigung, diese dicke gefühlsbetonte Aufbereitung der Kleinvarieté-Welt des Londons seiner Kinderjahre, ebenso die Eleganz seiner Abrechnung mit den USA, "A King in New York" von 1957.

Und heute?

Gibt es auch auf diesem Feld ein Eighties-Revival? Oder greift hier die erst seit ein paar Jahren weiter verbreitete Faszination für die dramatischen und darin auch durchaus oft albernen Qualitäten des ganz frühen Kinos? Für das Turbulenz-Prinzip, dem Mack Sennett huldigte, der Produzent der Keystone-Studios und Entdecker Chaplins? Sennetts Methode, bevorzugt ein ganzes fulminantes Team von Komikern am Set zu versammeln, hat ja nichts von seiner Wirkung eingebüßt. Die historisch erste abendfüllende Komödie, "Tillie's Punctured Romance" von 1914, wäre ein Revival-Kandidat. Oder die Filme, in denen Chaplin (um 1920 herum, zu Beginn der Prohibition) eine seiner frühen Lieblingsrollen gibt, die des wohlhabenden wie betrunkenen Not-Really-Gentlemans - siehe "One A.M" oder "A Day's Pleasurer" oder "The Idle Class".

Aber klar ist auch: Manche von Chaplins Filmen werden es noch langfristig schwer haben, etwa sein letzter, die Gesellschaftskomödie "A Countess From Hong Kong" mit den damals, 1967, Superstar-Status genießenden Marlon Brando und Sophia Loren. Oder ein früherer, an den Kassen ebenso massiv gefloppter Versuch, sich einmal nicht selbst zu inszenieren, "A Woman of Paris" von 1923 - wobei hier rückblickend von Fachleuten sehr wohl gewürdigt wurde, wie sehr dieses kühl-moderne Frauenmelodram ein erst später wieder in Mode kommendes Genre nachhaltig prägte.