Unschlagbare Aussicht auf Industriegebiet und Tangente: Im Nobelrestaurant "das Turm" des einstigen Immofinanz-Towers wird wieder gekocht.

Foto: Gerhard Wasserbauer
Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Aussicht auf das Industriegebiet im Süden Wiens mag nicht von abendfüllender Anmut sein. Aber wenn man schon mal da ist, sitzt es sich im Restaurant "das Turm" zweifellos gediegen. Der halbrunde Saal mit der mahagonifarbenen Holztäfelung, hellem Leder und großen Fenstern mutet ein wenig wie der Edelessbereich eines Kreuzfahrtschiffes an. Statt der Weite der See umgibt einen halt jene des südlichen Stadtrands.

Mit Harald Brunner und Bernie Rieder haben hier schon ausgewiesene Kreativköche versucht, spendierfreudiges Publikum heraufzulocken. Mittags gelang das ganz gut, immerhin türmen sich reihum die Bürohochhäuser. Abends aber wollten die hier werkenden Führungskräfte halt doch lieber in der Innenstadt abhängen.

Diesmal machen sich Gottfried Krasser und Küchenchef Jörg Domansky (beide zuvor Procacci) daran, das zu ändern. Sie bieten durchgehend warme Speisen und eine Küche, die wohl austromediterran verfeinert genannt werden möchte - wie gemacht, um sich dem Publikumsgeschmack in möglichst breiter Aufstellung ranzuwerfen.

Der fossile Geschmack des Wiener Spesengasts

Es gibt Carpaccio und im Speckmantel gebratenen Ziegenkäse, Beef Tartare und Gänseleber, aber auch Pasta, Zander mit Speckkraut und gekochtes Rindfleisch. Damit sollte der fossile Geschmack des Wiener Spesengasts recht präzise bedient werden - Fehler rächen sich auf derlei breitgetretenem Terrain aber doppelt.

Das war an der Vorspeisenvariation zu sehen, die (wie die nachfolgenden Teller auch) mit speckigen Fingertapsern ausdekoriert war. Beef- und Lachstartare wurden auf einem Sockel aus stabilem Toast-Karton serviert, der seine appetithemmende Wirkung so voll ausspielen durfte. Russisches Ei mit Spuren von Sevruga-Kaviar war dagegen eine Freude, mit samtiger Dottercreme und französischem (vulgo russischem) Salat, der mit knackigem, fein abgemischtem Wurzelgemüse punktete.

Mit geschmorter Ente gefüllte Ravioli gerieten bissfest und zart zugleich, in der Kombination mit klebrigem, bis an die Matschgrenze verkochtem Rotkraut hatten sie es aber schwer. Die mürb gesottene Hochrippe mit klassischen Tafelspitz-Beilagen war hingegen tadellos - außerhalb Wiens müssten Köche halt mit Fenstersturz oder sonst wie dramatischer Abstrafung rechnen, wenn sie ein saftiges Steak derart ruchlos zu Suppenfleisch zerkochen ließen. (Severin Corti/Der Standard/rondo/04/12/2009)