Es musste sein. Und es ist durchaus konsequent. Die Wiener Nadaproductions - Amanda Piña und Daniel Zimmermann - setzen ihrem erfolgreichen Stück We eine Provokation und eine realistische Verwirrung gegenüber: Them.

Als die aus Chile stammende Tänzerin und Choreografin Amanda Piña vor drei Jahren in Wien auftauchte und mit Ewa Bankowska eine hintergründige Kooperation im 3raum Anatomietheater präsentierte, konnte noch niemand ahnen, dass ab da eine der vifsten Nachwuchschoreografinnen in der Wiener Szene ihre Zelte aufschlagen würde. Im Gespann mit dem Schweizer bildenden Künstler Daniel Zimmermann und in Kollaboration mit jungen Kollegen aus der Tanzszene entwickelt Piña eine stets an politischen Thematiken orientierte Ästhetik, die auch die Theatersituation mit einschließt.

Jedes Publikum eignet sich in Bezug auf jene, die ihm etwas vorführen, ein diffuses Wir-Gefühl an. Dieses ist Teil einer Opposition im Theaterraum, die durch das demonstrative Wir-Gefühl der Künstler auf der Bühne ergänzt wird. Im Theater agieren also zwei "Wir"-Gruppen als die jeweils "Anderen", und das hat ja schon zu zahllosen Versuchen geführt, die sogenannte "vierte Wand" zwischen Performern und Publikum zu durchdringen.

Wer also heute ins zeitgenössische Theater geht, muss damit rechnen, dass die Trutzburg seines temporär angemieteten Zuschauersessels nicht unangetastet bleibt. Bei We spiegelten Nadaproductions ihr Publikum auf einem großen Videoscreen und versahen die dort projizierten Besucher mit lustigen Sprech- und Gedankenblasen. Them beginnt auch mit einer Projektion. Groß ist das Gemälde Echo und Narcissus (1903) von John William Waterhouse zu sehen. Aber in manipulierter Form: Vor Echos dem Narziss hingewandtem Gesicht ist ein großes Megafon einkopiert. Echo ruft dem Selbstverliebten etwas zu: ein Hallo?

Dieses Bild ist der Auftakt. Hinter dem Bild sitzen Leute auf der Bühne. Vor dem Bild beginnt eine Lecture. Was folgt, ist fröhliche Kommunikationswissenschaft, ein ironisches "Ist da wer?", ein anarchisches Bühnen-"Licht ins Dunkel", bei dem auf jeden Fall etwas gespendet wird. Nicht nur Beifall ...

Zusammen mit Ewa Bankowska, Laia Fabre, Markus Frietsch und Thomas Kasebacher schockieren Piña & Zimmermann sich und die "Anderen" mit einer Abenteuerfahrt durch die Mikropolitik des gewohnten Theaterkäfigs, in der Vorder- und Hintergründe sich miteinander verhaspeln, Repräsentationen ins Stolpern und Abläufe ins Unvorhersehbare geraten. (Helmut Ploebst / DER STANDARD, Printausgabe, 3.12.2009)