Achtung, dieser Mann spricht direkt zur Kamera, und er führt nichts Gutes im Schilde: US-KomikerLarry David in Woody Allens neuer Komödie "Whatever Works"  – ab Freitag, 4.12.,  im Kino

Foto: Polyfilm

Wien - Gestreifte Shorts, das Hemd leicht schlampig aus der Hose hängend, Glatze und Brille - und dann dieser missmutige, genervte Gesichtsausdruck, dieser provokante, leicht erregte Ton in der Stimme: Sagen wir, Boris Yelnikoff, irgendwo in den 60ern, ist nicht der ideale Zeitgenosse, wenn man seine gute Laune behalten will. Er gehört nämlich zu jenen Leuten, die überall stets nur das Schlechte sehen. Dass Menschen zu Restauranttoiletten irgendwann auch automatische Spülungen dazuerfinden mussten, das spreche beispielsweise eindeutig gegen sie.

Yelnikoff ist die schillernd misanthropische Hauptfigur aus Woody Allens neuem, mittlerweile 70. Film, "Whatever Works" - dem ersten, den er nach längerem Europa-Aufenthalt wieder in New York gedreht hat. Der Stoff stammt ursprünglich aus den 70ern, Allen hatte das Buch für Zero Mostel geschrieben. Dass der nun wie maßgeschneidert einem anderen Komiker passt, das ist, vielleicht, schon der größte Coup dieses Films.

Larry David, Miterfinder von Seinfeld, hat mit seiner Sitcom "Curb Your Enthusiasm" (dt. etwa: Zügle deinen Enthusiasmus) eine unverwechselbare Form entwickelt, die ihn zum kulturellen Phänomen werden ließ: Er spielt eine Variante seiner selbst, einen stinkreichen und ebenso arbeitsscheuen Autor - mittlerweile schon in der siebten Staffel (hierzulande per DVD begleitbar). Sein schlimmstes Ich? "Mein b-e-s-t-e-s Ich!" , brüllt David im Standard-Interview durchs Telefon.

Auch in Whatever Works ist David zur Kenntlichkeit entstellt: "Das mag für Sie jetzt wie eine große Überraschung klingen: Aber all diese eher unangenehmen Eigenschaften von Boris besitze ich auch. Und ich kenne aus meiner Familie Leute, die so wie er sind. Und Menschen, mit denen ich Schach gespielt habe - so wie Boris zu Beginn des Films -, die genauso denken wie er, zur gleichen Selbstüberschätzung neigen. Sie sind alle so arrogant. Nur erfährt das keiner."

Stoff für mehr als ein Leben

David, 1947 geboren, Sprössling einer jüdischen Familie aus Brooklyn, ist mit New York ähnlich eng verbunden wie der um zwölf Jahre ältere Allen. Seine Kindheit nennt er stets einen Glücksfall, war sie doch eine Goldgrube für seinen Humor: "Brooklyn hat für Komiker lange Tradition. Mein Neighbourhood bot beste Voraussetzungen, um miteinander auf der Straße ins Gespräch zu kommen. Auf den Straßen tummelten sich die mannigfaltigsten Persönlichkeiten - das gab Material für mehr als ein Leben ab."

Auch die Figur des Boris profitiert davon. Seine zynische Weltanschauung, seine notorische Besserwisserei - als ehemalige Koryphäe für Quantenphysik pudelt er sich ständig auf -, prallt in "Whatever Works" auf eine naive 21-jährige Südstaatenschönheit (Evan Rachel Wood), die ihm das Schicksal vor die Haustüre weht. Dass ihr der griesgrämige Alte gefällt, sie sich gar in ihn verliebt, ist nur eine der mit leichter Hand hingeworfenen Wendungen dieses Films. Keine Identität scheint darin so gefestigt, um nicht vom liberalen Geist dieser Stadt allmählich verändert zu werden.

Ist Boris der Einzige, der untherapierbar bleibt? David verneint: "Boris verändert sich durch seine Ehe. Gewiss, der Mann hat seine Überzeugungen - am Ende sagt er aber, er habe nicht das schlechteste Jahr durchlebt. Für einen normalen Menschen ist das nicht viel, für Boris heißt es: Er muss echt glücklich gewesen sein."

Für David, der mittlerweile in Los Angeles lebt, lag die Herausforderung woanders. Erstens musste er nach New York zurückkehren ("Diesen Geisteszustand war ich nicht mehr gewohnt!" ), zweitens Unmengen an Dialogen lernen ("Es war ein ziemlicher Kraftakt. Ich bin ja eigentlich recht faul." ). Eine der besonderen Charakteristika von Curb Your Enthusiasm ist es ja, dass die bis in hysterische Höhen reichenden Dialoge abgesehen von einem lose skizzierten Plot völlig improvisiert sind.

In der Serie schlittert Davids alternative Persona von einem Missgeschick ins nächste. Politische Inkorrektheiten werden nicht bewusst begangen, sie passieren einfach - Spontanität korrespondiert bei ihm auf unheilvolle Weise mit Unaufrichtigkeit, und beides verträgt sich schwer mit dem gesellschaftlichen Konsens. "Ich denke, die Basis des menschlichen Miteinanders ist Kommunikation", sagt David dazu. "Und es braucht nur ganz wenig, eine kleine Abweichung, und alles geht schief. Menschen sprechen danach 40 Jahre lang nicht mehr miteinander."

Das hochkomische Resultat könnte man als Studie menschlicher Umgangsformen sehen, die das brüchige Fundament der sozialen Ordnung entlarvt - und wenn es nur darum geht, schneller an einen Tisch im Restaurant zu kommen. David: "Es gibt doch ganz vieles, was nicht ausgesprochen wird - nur aufgrund sozialer Etikette. Ich gebe zu, es ist sehr befreiend, Dinge sagen zu können, die sich die meisten Menschen denken, aber nicht zu sagen trauen." (Dominik Kamalzadeh
/ DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.12.2009)