Nehmen wir an, es gäbe eine österreichische Bank, die im Mehrheitseigentum eines bayerischen Geldinstituts stünde. Nehmen wir weiters an, dass diese österreichische Bank in argen Schwierigkeiten steckte und die deutsche Mutter auch nicht gerade so viel auf der Kante hätte, um den Verlustbringer aufzufangen. Nehmen wir zudem an, dass sich München, Wien und Berlin nicht auf eine staatliche Auffanglösung einigen können. In Zukunft würden derart heikle grenzüberschreitende Fälle dann auf europäischer Ebene beraten. Konkret in der Agentur für Bankenaufsicht, die ihren Sitz in London haben wird.

Nach den am Mittwoch von den EU-Finanzministern festgezurrten Regeln darf man gespannt sein, wie der rein hypothetische Fall ausgehen würde. Eines vorweg: Auf britischen Druck haben die Staats- und Regierungschef bereits eine Eingriffsmöglichkeit aus dem Weg geräumt. Die Agentur darf keine Entscheidungen treffen, die fiskalische Auswirkungen hätte. Im fiktiven Beispiel wäre die neue Aufsicht also schon einmal aus dem Spiel.

Doch auch in anderen Fällen wurde dafür gesorgt, dass die Londoner Agentur ohne Zähne auf die Welt kommt und auch keine nachwachsen werden. Entscheidungen können von den nationalen Mitgliedern der Aufsicht angefochten werden, auch wenn diese keine finanzielle Auswirkungen haben. Dann sind wieder die Finanzminister am Zug, die das Votum der Behörde mit einer Minderheit von rund einem Drittel zu Fall bringen können. Gerade für die großen EU-Mitglieder mit wichtigen Finanzplätzen - insbesondere London und Frankfurt - wird es ein Leichtes sein, die notwendigen Stimmen gegen Eingriffe zu sammeln.

Die zahnlose Bankenaufsicht reiht sich nahtlos in andere Reformen zur Überwachung der Finanzmärkte ein. Bereits bei der Regulierung von Ratingagenturen und Hedgefonds sowie bei der Weitergabe von verbrieften Kreditpapieren wurden vorliegende Initiativen ständig verwässert. Die angekündigte strenge Kontrolle der Finanzwelt fällt jetzt neuerlich der Salamitaktik in der EU zum Opfer. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Printausgabe, 3.12.2009)