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"Er fängt sich wieder": Irans umstrittener Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad (hier in Natanz) hat den Bau von gleich zehn weiteren Stätten zur Urananreicherung angekündigt. Das Uran dafür fehlt allerdings.

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Sanktions-Theoretiker Kornprobst: "Ahmadi-Nejad lebt von der Spannung mit dem Westen."

ZUR PERSON: Markus Kornprobst hält den Lehrstuhl für Internationale Beziehungen an der Diplomatischen Akademie in Wien.

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Die Fragen stellte Markus Bernath.

STANDARD: Die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder und Deutschland haben dem Iran im Streit um das Atomprogramm ein Kompromissangebot gemacht, und der iranische Präsident antwortet mit der Ankündigung, zehn weitere Anreicherungsanlagen im Land zu errichten. Was läuft da verkehrt?

Kornprobst: Man muss sich die innenpolitische Situation im Iran vor Augen halten. Mahmud Ahmadi-Nejad hat es geschafft, an der Macht zu bleiben, und er hat gleichzeitig einen äußerst schweren Stand – wegen der Wahlen und der Demonstrationen seiner Gegner, aber auch wegen der wirtschaftlichen Lage.

Dann kommt noch seine persönliche Seite dazu. Wenn man den Textbüchern der Diplomatie glaubt, sind Staatsmänner immer die kühlen Strategen, die alles genau abwägen. Aber das ist ja oft nicht so. Ahmadi-Nejad ist eher ein „Bauchpolitiker".

Für ihn war die jüngste Resolution der IAEO ein Affront, eine Geringschätzung seines Landes. Dann reagiert er über: „Ihr regt euch auf über unsere eineinhalb Anreicherungsanlagen (Natanz und die im Bau befindliche Anlage Fordo, Anm.), dann packe ich gleich noch zehn dazu." Was irrwitzig ist.

STANDARD: Diplomatische Verhandler gehen aber davon aus, dass ihr Gegenüber rational überlegt, oder?

Kornprobst: Richtig. Wobei ich glaube, dass sich Ahmadi-Nejad wieder fängt. Die fünf britischen Segler zum Beispiel, von denen man diese Woche dachte, sie würden nun als Faustpfand für die Verhandlungen behalten, sind gleich wieder freigekommen.

STANDARD: Die Verhandlungen über eine Beilegung des Atomstreits drehen sich trotzdem im Kreis.

Kornprobst: Da kommen wir wieder auf die Innenpolitik zurück. Ahmadi-Nejad lebt von der Spannung mit dem Westen. Das war Anfang des Jahres gut zu sehen, als die neue US-Regierung ihr Angebot für Gespräche mit dem Iran machte. Die Reaktion in Teheran war sehr vorsichtig. Ahmadi-Nejad weiß, dass er die Karte vom dämonischen Westen spielen muss, um innenpolitisch Unterstützung für seine Person zu bekommen. Zu einem gewissen Grad glaubt er auch selbst an diese Dämonenhaftigkeit. Unter diesen Bedingungen ist es aber unglaublich schwer, Verhandlungen zu führen. Im Grunde hat er das Gefühl, dass diese Verhandlungen scheitern müssen, um die Spannung mit dem Westen aufrechtzuerhalten.

STANDARD: Dennoch versuchen Diplomaten zu beruhigen und wollen stets eine Chance für weitere Verhandlungen erkennen. Warum?

Kornprobst: Das lässt sich auf zweierlei Weise interpretieren. Einmal: Wir warten noch bis Ende des Jahres, weil es auch unterschiedliche Signale aus Teheran gibt. Oder aber: Alle anderen Optionen sind äußerst schwierig. Den Verhandlungstisch zu verlassen und zu sagen, das lasse ich mir nicht mehr bieten, ist ein mit großen Problemen beladener Weg.
Es sind zwei Dilemmas, die hier aufeinander folgen und insbesondere den amerikanischen Präsidenten treffen. Das eine Dilemma könnte man nennen: Iran gegen die Welt. Geht es um den Iran und das Ziel, politische Änderungen im Land zu erreichen, so weiß Obama, dass Sanktionen dafür kontraproduktiv sind – sie stärken nur Ahmadi-Nejad. Auf der anderen Seite steht Obamas Rede in Prag vom April, seine Vision von einer atomwaffenfreien Welt – hält er daran fest, kann er das Atomprogramm des Iran nicht hinnehmen.
Nehmen wir an, Obama entscheidet sich für „Welt", dann läuft er in das zweite Dilemma: Unilateral gegen multilateral. Für Sanktionen braucht er die Unterstützung aller ständigen Sicherheitsratsmitglieder.

STANDARD: Was bedeutet es für die Glaubwürdigkeit eines Verhandlungspartners wie die USA, wenn seine Angebote ständig zurückgewiesen werden?

Kornprobst: Das ist natürlich katastrophal. Glaubwürdiger Verhandlungspartner sein heißt, die andere Seite weiß, dass es Sanktionen geben kann, die sie treffen. Ahmadi-Nejad hat es hier leicht. Wenn er sich die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder anschaut, weiß er, dass diese Front nicht steht.

Dilemmas kann man nie lösen. Man muss sich mit Bauchweh für etwas entscheiden. Ich könnte mir vorstellen, Obama entscheidet sich mit Bauchweh für „Welt" – sein Ziel einer atomwaffenfreien Welt – und ebenfalls mit Bauchweh für „unilateral": Russland kann er vielleicht für Sanktionen gegen den Iran gewinnen, China wohl nicht. (DER STANDARD, Printausgabe, 3.12.2009)