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Paris/Innsbruck - Im Gehirn von Schlafwandlern laufen während ihrer nächtlichen Wegstrecken Prozesse ab, die Träumen sehr ähnlich sind: Das berichten Wissenschaftler der Pariser Klinik Pitie-Salpetriere in der Fachzeitschrift "Sleep". Erstmals konnten sie nachweisen, dass sich die meisten Menschen, die an Schlafstörungen außerhalb des Traumschlafes leiden - an Schlafwandeln (Sonambulismus) und sogenanntem "Nachtschreck" (Pavor nocturnus) - später noch an zumindest ein Bild erinnern können, das sie während ihrer nächtlichen Episoden verfolgte.

Innerhalb der abnormen Verhaltensweisen im Schlaf, die in Summe als "Parasomnien" bezeichnet werden, gehören Schlafwandeln und Nachtschreck zu den häufigsten. "Beide Erscheinungen kommen meist bei Kindern vor, betreffen aber auch noch drei Prozent der Erwachsenen", sagt Birgit Högl, Neurologin und Präsidentin der österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung.

Gestörter Tiefschlaf

Während bei Schlafwandeln das Verlassen des Bettes charakteristisch ist, sind Nachtschreck-Episoden kürzer, jedoch oft mit heftigeren Aktivierungen des vegetativen Nervensystems wie etwa Herzrasen verbunden. "Die Betroffenen sitzen plötzlich mit schreckgeweiteten Augen im Bett und weinen untröstlich", so Högl. Sowohl Nachtschreck als auch Schlafwandeln treten während des Tiefschlafes und somit außerhalb der Schlafphasen mit schnellen Augenbewegungen (REM- bzw. Traumschlaf) auf.

Weit verbreitet ist die Meinung, dass sich Schlafwandler oder Patienten mit Nachtschreck nicht an Traumbilder erinnern können. "Nun bestätigten sich die Hinweise, dass sich Menschen mit Parasomnien auch außerhalb der REM-Phase an Traumfragmente erinnern können", so Högl. Die Pariser Forscher um Isabelle Arnulf untersuchten dazu im Schlaflabor Frauen und Männer verschiedenen Alters, die an schweren Formen von Nachtschreck oder Schlafwandel litten. 38 der 43 Probanden konnten sich an Gedanken während ihrer nächtlichen Zustände erinnern, allerdings nur die Erwachsenen.

Erinnerung an Angst und Grauen

Die Erinnerungen der Probanden waren gering, denn die meisten erinnerten sich nachher nur an das Fragment einer einzigen Szene. Deren Inhalte waren durchwegs belastend und beinhalteten Angst, Sorge oder Grauen. Jeden zweiten plagten Bilder von Verletzungen, Unfällen oder Missgeschicken und jeden vierten Aggressionen, wobei der Träumende stets das Opfer war. Im Vergleich mit einer gesunden Kontrollgruppe waren Schlafwandel- oder Schlafterror-Patienten auch öfters tagesschläfrig und wachten zudem viermal öfter aus dem Tiefschlaf auf.

Abnorme Verhaltensweisen im Schlaf müssen ernst genommen werden, betont Högl. "Die Annahme ist falsch, dass sich Schlafwandler keinen Schaden zufügen können. Sie können sich sehr wohl verletzen, da sie die Umgebung nicht richtig wahrnehmen und dabei etwa Fenster und Tür verwechseln können oder gegen eine Wand oder Glastüre laufen", so die Schlafforscherin. Ähnliches Verhalten wie beim Schlafwandeln sei auch bei anderen Krankheiten zu finden, etwa bei der REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD). "Diese erst im Erwachsenenalter beginnende Krankheit lässt die betroffenen Patienten tun was sie träumen. Sie reden nicht nur im Schlaf, sondern schreien, weinen, streiten, gestikulieren oder schlagen um sich, womit sie sich selbst und den Bettnachbarn gefährden."

Schlaflabor verschafft Klarheit

Wer an derartigen Schlafstörungen leidet, sollte sich im Schlaflabor untersuchen lassen, damit andere behandelbare Ursachen ausgeschlossen und gegebenenfalls die Behandlung eingeleitet werden kann. "Wenn auch die Parasomnien außerhalb des REM-Schlafes noch wenig erforscht sind, gibt es bereits Therapien. Neben den medikamentösen Formen bauen diese auf Ansätze, bei denen der Patient genaue Information über sein Leiden und die auslösenden Faktoren benötigt", so Högl. Solche Ursachen könnten etwa bestimmte Medikamente, Schlafmangel, Jetlag oder ein sich auf den Schlaf der nächsten Nacht auswirkendes "Durchmachen" sein. "Andere Therapien bauen auf Hypnose oder Selbsthypnose", so die Innsbrucker Schlafmedizinerin. (pte/red)