Schachtechnisch betrachtet, sind wir nun im fortgeschrittenen Stadium der Eröffnung: Dmitri Medwedew hat mit dem Entwurf eines neuen europäischen Sicherheitsvertrags eine Figur aus der Deckung gebracht, die man nicht ungestraft schlägt. Der Vertrag, der das Ende vom Ende besiegeln soll - den Schlusspunkt der Übergangszeit nach 1989 -, ist in dieser ersten Fassung gleichwohl nicht mehr als der Ausgangspunkt für weitere Gespräche zwischen Russland und den Europäern und Amerikanern.

Einwände gegen die Idee des russischen Präsidenten gibt es viele. Der Wunsch des Kreml, die Nato-Erweiterung endgültig zu stoppen, lugt aus allen Artikeln des Vertrags hervor. Auch der Versuch der Russen, ihre Landnahme im Kaukasus nach dem Krieg im Sommer 2008 absegnen zu lassen - die faktische Annexion von Abchasien und Südossetien -, ist leicht zu erkennen. Keine seriöse Regierung im Westen will die Uhr aber einfach wieder auf null stellen. Mit der Fixierung des Sicherheitsvertrags auf das Militärische geht Moskau schließlich hinter frühere Basisdokumente zurück: Demokratie und Bürgerrechte sind ausgeklammert.

Ein Angebot Medwedews ist aber wert, genauer betrachtet zu werden. Russland schlägt die Möglichkeit des gemeinsamen militärischen Beistands vor. Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger hatte Panik vor solchen kollektiven Sicherheitsverträgen: Wenn jeder bei jedem versichert ist, ist keiner wirklich versichert, lautete eines seiner Bonmots. Doch das galt während des Ost-West-Konflikts. Der ist seit 20 Jahren begraben und soll es auch bleiben. (Markus Bernath, DER STANDARD, Printausgabe, 1.12.2009)